Rückforderung einer Viertelmillion
Ein mittlerweile 19-jähriger Schwerbehinderter wehrte sich gegen die Rückforderung von Leistungen, die er in seiner Kindheit erhalten hatte. Aufgrund einer Genmutation litt der 2003 geborene Mann an einer Lissenzephalie Typ I, einer seltenen Fehlbildung des Gehirns. Ursprünglich war ihm nur eine Lebenserwartung von drei bis vier Jahren prognostiziert worden, was sich als viel zu pessimistisch erwies. Es traten allerdings erhebliche Reifeverzögerungen auf, er blieb auf den Rollstuhl angewiesen und musste dauerhaft betreut werden. Seit 2008 wurden verschiedene Eingliederungsmaßnahmen bewilligt. Aufgrund des hohen Betreuungsbedarfs wurde 2012 das zuvor gemäß der Budgetverordnung (BudgetV) gewährte persönliche Budget auf 7.750 Euro im Monat erhöht. Damit sollte sichergestellt werden, dass das Kind im Haushalt der Eltern bleiben konnte. Die Beteiligten schlossen eine Zielvereinbarung ab, die unter anderem die Verpflichtung enthielt, nachzuweisen, dass die Gelder sachgerecht verwendet worden waren. So sollten beispielsweise Abrechnungen über Leistungen Dritter vorgelegt werden. Es kam jedoch zum Streit darüber, ob die zweckentsprechende Mittelverwendung erfolgt beziehungsweise nachgewiesen worden war. Die Behörde widerrief 2016 die Bewilligung und forderte bis auf einen Betrag von 150 Euro im Monat sämtliche Leistungen zurück. Die Rechnung belief sich auf 250.800 Euro für 33 Monate. Sowohl das SG Koblenz als auch das dortige LSG gaben der Verwaltung Recht. Das BSG entschied aber zugunsten des Behinderten.
Keine Verantwortung des Hilfsbedürftigen
Die Kasseler Richter konnten sich mit der von der Behörde gewählten Konstruktion mit Abschluss einer Zielvereinbarung nicht anfreunden. Die Bewilligung eines persönlichen Budgets richte sich nach den gesetzlichen Regelungen für Teilhabeleistungen. Diese könnten im Rahmen des Verwaltungsakts konkretisiert oder präzisiert werden. Auch über den Weg einer Zielvereinbarung dürften aber keine "originären Zweckbestimmungen" oder daraus resultierende Verhaltenspflichten aufgestellt werden, die letztlich den Hilfebedürftigen für den Erfolg der Maßnahme verantwortlich machten. Damit war aus Sicht der obersten Sozialrichter auch der Widerruf nach § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht möglich: Hier fehle es an der Verletzung wirksam vereinbarter Pflichten zur genauen Mittelverwendung.