Die sogenannten Potentialleistungen
Heilmethoden, über die der Gemeinsame Bundesausschuss für das Gesundheitswesen (GBA) noch nicht endgültig entschieden hat, können unter bestimmten Umständen von gesetzlich Versicherten im Krankenhaus beansprucht werden, "wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten" (§ 137c SGB V). Das BSG hat jetzt die Klagen von zwei Patientinnen an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen und das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückgeschickt, die sie abgewiesen hatten. Beide Klägerinnen hatten ihre schmerzhaften Schwellungen an Oberarmen und Oberschenkeln (Lipödeme) auf eigene Kosten durch eine Fettabsaugung (Liposuktion) behandeln lassen.
Rechtsprechung der Vorinstanzen überholt
Eine abschließende Entscheidung haben die obersten Sozialrichter damit noch nicht getroffen. Denn der Senat konnte auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht feststellen, ob die beiden Anspruch auf Erstattung haben. Dies teilte das BSG heute aus seiner gestrigen Sitzung mit. Es fehle sowohl an einer ausreichenden Klärung, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, als auch zur Wirksamkeit der Zahlungsverpflichtung an die Klinik. Vermisst werden in der letzten Instanz bislang ausreichende Feststellungen zu den Einzelheiten der geschlossenen Verträge und der erteilten Rechnungen. Ein Grund für das Versäumnis: Die Richter in Stuttgart und Essen hatten sich noch an der von den Kasseler Kollegen im März 2021 aufgegebenen Rechtsprechung zu § 137c Abs 3 SGB V orientiert.
Dennoch enge Voraussetzungen
Zudem ruft das BSG in Erinnerung, was es dazu mittlerweile im April 2022 entschieden hat. Danach haben Versicherte auch nach Erlass einer Erprobungsrichtlinie durch den GBA - wie hier - Anspruch auf die Versorgung mit Potentialleistungen nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs. Dafür hat es drei Voraussetzungen aufgestellt. So muss es um eine "schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung" gehen. Auch darf keine andere Standardbehandlung verfügbar sein. Und schließlich müssen "die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des GBA für die Annahme des Potentials einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt" sein. Für nicht an der Erprobung teilnehmende Krankenhäuser kann der Bundesausschuss demnach ergänzende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung regeln. "Es handelt sich für diese Krankenhäuser um eine abschließende Regelungsermächtigung", heißt es in der Mitteilung des BSG. Im Fall des Liposuktions-Erprobungsverfahrens habe das Gremium zum Zeitpunkt der streitigen Behandlungen davon noch keinen Gebrauch gemacht. Begrenzungen ergäben sich aber auch aus einer Erprobungsrichtlinie in Verbindung mit § 137e Abs 2 S. 1 und 2 SGB V und dem Studiendesign selbst. Diese gälten jedoch nur für an der Erprobung teilnehmende Kliniken.