Bindungswirkung eines rechtswidrig zu hoch festgesetzten Bemessungsentgelts

Bemessungsentgelt für die Bewilligung von Arbeitslosengeld bei erneuter Arbeitslosigkeit ist mindestens das Entgelt, nach dem die Leistung zuletzt bemessen worden ist. Nicht entscheidend ist dabei laut Bundessozialgericht, ob diese frühere Bewilligung der Höhe nach rechtswidrig war. Dadurch werde bei Verlust der Beschäftigung unter anderem eine gewisse Leistungskontinuität sichergestellt.

Arbeitsloser verlangt höheres Arbeitslosengeld

Ein heute 71-jähriger Schlosser verlangte von der Bundesagentur für Arbeit höheres Arbeitslosengeld für die Zeit vom 04.03.2016 bis 03.05.2016 auf Grundlage des ursprünglichen festgesetzten täglichen Bemessungsentgelts von 143,70 Euro. Die Behörde hatte ihm diesen Betrag im Wege der so genannten "Gleichwohlgewährung" vom 21.05.2014 bis 17.06.2014 fälschlich in dieser Höhe zugebilligt. Zugrunde zu legen gewesen wären 128,36 Euro. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Nachdem der Handwerker zwischenzeitlich wieder länger als ein Jahr beschäftigt gewesen war bzw. Krankengeld bezogen hatte, setzte die Bundesagentur für ihn zuletzt bis zum 03.05.2016 Arbeitslosengeld auf der Grundlage von rund 129 Euro fest. Zu niedrig, wie er fand. Er bekam sowohl beim Sozialgericht Detmold als auch beim LSG Nordrhein-Westfalen Recht. Zugunsten des Klägers greife § 151 Abs. 4 SGB III ein. Danach sei Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt, nach dem das Arbeitslosengeld zuletzt bemessen worden sei, wenn Arbeitslose innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Arbeitslosengeld bezogen haben. Die Revision der Bundesagentur beim BSG hatte keinen Erfolg.

Eindeutigkeit der Norm nach Wortlaut, Sinn und Zweck

Die Kasseler Sozialrichter bejahten die Anwendung des § 151 Abs. 4 SGB III. Unschädlich sei, dass es sich im Fall des Schlossers um einen Fall der Gleichwohlgewährung nach § 157 Abs. 3 SGB III gehandelt habe, so dass der Arbeitslosengeldanspruch an sich wegen eines Arbeitsentgeltsanspruchs gegen den Arbeitgeber ruhte, aber dennoch zur Auszahlung gelangte. Auch in einer solchen Konstellation werde Arbeitslosengeld "bezogen". Dabei kommt es den BSG-Richtern zufolge nicht darauf an, ob diese frühere Bewilligung dem Grunde oder der Höhe nach rechtswidrig gewesen ist. § 151 Abs. 4 SGB III stelle dem Wortlaut zufolge nicht auf das Entgelt ab, nach dem das Arbeitslosengeld zuletzt zu bemessen "war", sondern auf das Entgelt, nach dem es zuletzt bemessen worden "ist". Auch Sinn und Zweck der Norm stützten diese Auslegung. Dadurch sollten Arbeitslose einerseits motiviert werden, auch geringer entlohnte Beschäftigungen aufzunehmen. Bei Verlust dieser Beschäftigung sei dann eine Leistungskontinuität gewährleistet. Andererseits bewirke das Anknüpfen an das tatsächlich festgestellte Arbeitsentgelt eine Beschleunigung des Verfahrens, was für die Behörde im Sinne der Verwaltungspraktikabilität die Feststellung der notwendigen Entscheidungsgrundlagen vereinfache. Dies entspräche dem generellen Ziel der Neuregelung der Bemessungsvorschriften ab dem 01.01.2005. Ob diese Zwecke im Einzelfall erfüllt würden, sei für die Auslegung unerheblich.

BSG, Urteil vom 22.09.2022 - B 11 AL 32/21 R

Redaktion beck-aktuell, 23. September 2022.