Mütterrente auch für Väter?
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Das BSG hat am Donnerstag eine Benachteiligung von Vätern bei der Anerkennung von Kinderziehungszeiten durchgehen lassen. Was für Eltern, die – im Gegensatz zu diesem Fall – zusammen entscheiden, die bessere Lösung ist, will aber wohl überlegt sein, erklärt Christian Lindner.

112,75 Euro ist aktuell die Erziehung eines Kindes bei der Rente wert. Um diesen Betrag kann sich die monatliche Rente für den Elternteil erhöhen, der ein Kind erzogen hat. Davon wollte auch ein Vater in einem - allerdings nicht ganz alltäglichen - Fall einer verschwundenen Mutter profitieren. Dieser wollte die Kindererziehung für seine 2001 geborene Tochter als Pflichtbeitragszeit und als Berücksichtigungszeit für seinen Rentenanspruch anerkennen lassen. Ab dem 10. November 2008 akzeptierte der Rentenversicherungsträger dies auch, nachdem zu diesem Zeitpunkt die Mutter des Kindes die gemeinsame Wohnung verlassen und dauerhaft von Vater und Tochter getrennt gelebt hatte. Inzwischen ist der Aufenthalt der Mutter unbekannt, das Familiengericht hat das Ruhen ihrer elterlichen Sorge festgestellt. Mit seinem Ansinnen, auch die vor dem 10. November 2008 liegende Kindererziehung berücksichtigen zu lassen, ist der Vater nun jedoch vor dem BSG gescheitert (Urteil vom 18.04.2024 – B 5 R 10/23 R).

Eine Zuordnung der Kindererziehung beim Vater ist natürlich möglich, setzt im Fall der gemeinsamen Erziehung des Kindes, wie hier, jedoch voraus, dass die Eltern eine übereinstimmende Erklärung abgegeben haben, bei welchem Elternteil die Kindererziehung berücksichtigt werden soll. Haben sie keine übereinstimmende Erklärung abgegeben und liegt auch keine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil vor, wird die Kindererziehung standardmäßig bei der Mutter angerechnet. 

Zwar würden Väter hierdurch unmittelbar benachteiligt, dies sei aber zur Durchsetzung des Gleichstellungsgebots gerechtfertigt, führte das BSG in seiner Entscheidung aus. Die Auffangregelung, wonach die Kindererziehung im Zweifel der Mutter zugeordnet werde, gleiche die faktischen Nachteile aus, die infolge der Erziehungsleistung beim Erwerb von Rentenanwartschaften bestünden und die Frauen weiterhin stärker beträfen als Männer. So sei zwar die Erwerbstätigenquote und teilweise auch der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit von Müttern mit kleinen Kindern gestiegen, sie blieben jedoch immer noch deutlich hinter denjenigen der Väter zurück, argumentiert der Senat.

Zuordnung von Kindererziehungszeiten lohnt nur bei geringeren Einkommen

Über diesen hier vom BSG entschiedenen, in der Sache aber doch sehr ungewöhnlichen Einzelfall hinaus, hat die "richtige" Zuordnung der Kinderziehungszeit zu den Elternteilen für die spätere Rentenhöhe große Bedeutung und will gut überlegt sein. Es dem gesetzlichen Automatismus mit seiner Zuordnung der Kindererziehungszeit zur Mutter zu überlassen, kann erhebliche Nachteile zur Folge haben.

Denn die Kindererziehungszeit ist keineswegs bei der Mutter immer gut aufgehoben. Das gilt für die Kinderziehung als Pflichtbeitragszeit insbesondere für Mütter, die in den ersten drei Jahren nach der Geburt ihres Kindes einer Beschäftigung nachgehen und überdurchschnittlich gut verdienen. Zwar werden grundsätzlich Rentenansprüche aus der Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung mit Rentenansprüchen aus der Beitragszahlung wegen einer Beschäftigung zusammengerechnet, allerdings ist das abhängig vom Einkommen. 

Bei Überschreitung bestimmter Höchstwerte wird die Bewertung der Kindererziehung gekürzt. Dies geschieht ab einem jährlichen Bruttoverdienst von etwa 44.700 Euro im Osten und etwa 45.200 Euro im Westen. Hat die Mutter einen richtig gut bezahlten Job und erreicht ihr Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze, würde ihr für die Kindererziehung überhaupt nichts gutgeschrieben.

Kommt die Kindererziehung der Mutter für ihren künftigen Rentenanspruch nur eingeschränkt oder schlimmstenfalls gar nicht zugute, ist es sinnvoll zu prüfen, ob diese Zeiten nicht besser dem Vater zugeordnet werden sollten. In Betracht kommt das insbesondere dann, wenn der Verdienst des Vaters niedriger ist als der der Mutter, er noch studiert oder auch eine selbständige Tätigkeit ausübt, die nicht rentenversicherungspflichtig ist.

Kinderberücksichtigungszeit kann Arbeitseinkommen für Rentenberechnung erhöhen

Ähnliche Überlegungen gelten auch für die Kinderberücksichtigungszeit. Diese wird vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres des (jüngsten) Kindes anerkannt. Praktische Bedeutung erlangt sie in der Regel erst nach dem Ende der Kindererziehung als Pflichtbeitragszeit. Zwar wirkt die Kinderberücksichtigungszeit nicht unmittelbar rentenerhöhend, trifft jedoch eine Kinderberücksichtigungszeit mit einer Beschäftigungszeit zusammen, wird das dort erzielte Entgelt für die spätere Rentenberechnung um 50% erhöht. 

Voraussetzung ist, dass der jeweilige Elternteil in seinem gesamten Versicherungsleben mindestens 25 Jahre an rentenrechtlichen Zeiten zusammenbekommt. Ausnahmsweise kann auch die Kinderberücksichtigungszeit selbst ohne eine daneben liegende Beschäftigungszeit direkt rentensteigernd wirken. Das ist der Fall, wenn gleichzeitig eine Kinderberücksichtigungszeit für mindestens zwei Kinder vorliegt. Dann wird aus der Kinderberücksichtigungszeit eine Beitragszeit.

Das Ganze verdeutlicht folgender Fall: Ein Elternteil hat einen jährlichen Bruttoverdienst von 20.000 Euro. Gleichzeitig wird ein Kind erzogen, das das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Wegen des Zusammentreffens der Beschäftigung mit der Kinderberücksichtigungszeit wird das Entgelt für die spätere Rentenberechnung von 20.000 Euro auf 30.000 Euro erhöht. Für die Höhe der späteren Rente ergibt sich dadurch ein Zuwachs von monatlich etwa 8,50 Euro. Allerdings gibt es für diese Anhebung eine Kappungsgrenze: Erhöht wird maximal bis zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten (derzeit ca. 44.700 Euro im Osten bzw. 45.400 Euro im Westen).

Hat die Mutter also einen entsprechend hohen Verdienst, sollte die Kinderberücksichtigungszeit dem Vater zugeordnet werden, wenn er von der Anhebungsregelung profitieren kann. Die Kinderberücksichtigungszeit wird im Übrigen i. d. R. nicht für Elternteile anerkannt, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, die nicht rentenversicherungspflichtig ist. 

Zuordnung Mutter oder Vater: Was ist zu tun?

Treffen die Eltern keine Regelung zur Zuordnung von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung und von Kinderberücksichtigungszeiten, werden diese bei der Mutter gutgeschrieben. Ist es aber sinnvoller, diese Zeiten dem Vater zuzuordnen, müssen die Eltern gegenüber ihrem jeweiligen Rentenversicherungsträger eine übereinstimmende Erklärung abgeben. Diese bleibt so lange wirksam, bis eine neue Erklärung abgegeben wird. 

Daran sollte man rechtzeitig denken, wenn sich die Lebensverhältnisse ändern. Wurde zum Beispiel geregelt, dass die Kindererziehung dem Vater zugeordnet werden soll und steht die Geburt eines Geschwisterkindes bevor, für das zunächst die Mutter in Elternzeit gehen will, ist es zumeist sinnvoll, ab diesem Zeitpunkt die Kindererziehung wieder der Mutter zuzuordnen. Dabei müssen die Eltern schnell sein: Die Änderung der Zuordnung kann rückwirkend nur für bis zu zwei Kalendermonate erfolgen.

Haben Eltern sich noch nie zur Zuordnung von Kindererziehungszeiten geäußert, ist es dagegen auch für weiter in der Vergangenheit liegende Zeiträume möglich, die Kindererziehung so zuzuordnen, dass sich daraus das für beide Elternteile rentenrechtlich günstigste Resultat ergibt. Zweckmäßigerweise sollten Eltern ihre Entscheidung über die Verteilung der Kindererziehungszeiten erst treffen, wenn das jüngste Kind zehn Jahre alt geworden ist. Auch wenn eine Zuordnung bereits erfolgt ist, die Eltern dabei aber vom Rentenversicherungsträger nicht korrekt beraten worden sind, kann eine nachträgliche Änderung im Einzelfall noch in Betracht kommen.

Der Autor Christian Lindner ist Diplom-Verwaltungswirt und freiberuflicher Rentenberater. Er ist als solcher vertretungsbefugt vor allen deutschen Sozial- und Landessozialgerichten.

BSG, Urteil vom 18.04.2024 - B 2 U 14/21 R

Christian Lindner, 22. April 2024.