Brustimplantate-Skandal: Französisches Gericht verurteilt TÜV zu Schadenersatz
tuev_pip_CR Alexandre Marchi dpa
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Seit Jahren schon kämpfen sich die Frauen, die minderwertige Brustimplantate des Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) erhalten haben, durch alle Instanzen. Nunmehr hat ein französisches Berufungsgericht den TÜV Rheinland zur Zahlung von Schadenersatz in Millionenhöhe verurteilt. Der TÜV habe bei der Zertifizierung seine Pflichten verletzt. Aus Sicht der Opfer ist das Urteil wegweisend. Der TÜV kündigte an, eine Berufung beim Kassationshof zu prüfen.

Silikonkissen aus Industriesilikon

Der inzwischen insolvente französische Hersteller PIP hatte jahrelang billiges Industriesilikon für seine Implantate verwendet. Die reißanfälligen Implantate könnten Schätzungen zufolge weltweit bei Hunderttausenden Frauen eingesetzt worden sein. Betroffen sind auch Frauen aus Deutschland. Die Opfer berichteten etwa von Silikonkissen, aus denen das Gel herausgesickert sei. Der TÜV Rheinland hatte das Qualitätssicherungsverfahren von PIP zertifiziert. Die Klägerinnen werfen ihm deshalb Schlamperei vor. Das Unternehmen sieht sich dagegen selbst als Opfer der Täuschung von PIP.

TÜV hat Kontrollpflichten verletzt

Das Berufungsgericht in Aix-en-Provence kam zu dem Ergebnis, dass der TÜV Rheinland nach der europäischen Verordnung über Medizinprodukte verpflichtet gewesen wäre, die Herkunft der verwendeten Materialien zu überprüfen. Dazu hätten die Lagerbücher des Herstellers PIP untersucht werden müssen. Eine solche Kontrolle hätte es dem TÜV und seinem französischen Unterauftragnehmer ermöglicht, die Diskrepanz zwischen der Menge des vom einzigen zugelassenen Lieferanten bezogenen Gels und der Anzahl der hergestellten Brustprothesen festzustellen, so das Gericht. Diese Feststellung hätte unangekündigte Kontrollen zur Folge haben müssen.

Erstmals TÜV-Haftung durch Berufungsgericht bejaht

Bereits 2017 hatte das Handelsgericht in Toulon den TÜV Rheinland zur Zahlung von etwa 60 Millionen Euro Schadenersatz an rund 20.000 Klägerinnen verurteilt. Gegen die Entscheidung ging der TÜV Rheinland in Berufung. Er musste den Frauen damals bereits vorläufig den Schadenersatz von etwa 3.000 Euro zahlen. Das Berufungsgericht erklärte nun allerdings 6.205 Klagen für unzulässig, da anhand der eingereichten Unterlagen nicht sichergestellt werden könne, dass die Klägerinnen das vom TÜV zertifizierte Modell trugen. Den anderen 13.456 Klägerinnen sprach das Gericht Schadenersatz zu. Es handele sich bei der aktuellen Entscheidung um die erste Anerkennung der Haftung des TÜV im PIP-Fall durch ein Berufungsgericht.

Weitere Verfahren gegen den TÜV 

Der TÜV argumentiert hingegen, dass er den Anforderungen der entsprechenden EU-Verordnung nachgekommen sei. Er habe stets verantwortungsvoll und im Einklang mit allen geltenden Vorschriften gearbeitet. Gegen den TÜV Rheinland laufen in Frankreich mehrere Verfahren - das aktuelle in Aix-en-Provence ist das größte. In einem anderen Verfahren mit rund 400 Klägerinnen hatte das Berufungsgericht von Versailles eine Haftung des TÜV zuletzt verneint, wie dieser mitgeteilt hatte. In einem weiteren Verfahren mit rund 2.000 Klägerinnen wird eine Entscheidung im Mai erwartet. Auch in Toulon läuft noch ein Verfahren, in dem im Sommer ein Urteil fallen soll.

Redaktion beck-aktuell, 12. Februar 2021 (dpa).