BRAK zum Entwurf des EU-Übereinkommens über den Berufsstand der Rechtsanwälte

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat zum Entwurf des Europäischen Übereinkommens über den Berufsstand der Rechtsanwälte Stellung genommen. Die Konvention müsse ihrer Zielstellung - dem Schutz der Rechtsanwälte bei der Ausübung ihres Berufes - gerecht werden und insofern rechtsverbindlich ausgestaltet sein. Die BRAK fordert außerdem einen "Vertragstreue-Mechanismus" und spricht sich für eine klare Definition zentraler Schlüsselbegriffe aus.

Primäres Ziel: Schutz der Anwaltschaft bei der Berufsausübung

Zunächst betont die BRAK, dass der völkerrechtlich verbindliche Schutz der Berufsausübung der Anwaltschaft durch die Konvention vereinheitlicht und rechtlich abgesichert werden soll. Insofern sollte die Konvention auch als rechtsverbindliches Instrument formuliert werden. Nur dann stelle sie einen echten "Mehrwehrt" zu den vorhandenen Regelwerke dar, die lediglich empfehlenden Charakter hätten. Zugleich sollte die Konvention die Bedeutung der Stellung und Berufsausübung der Anwaltschaft in einem Rechtsstaat untermauern. Dies erhalte angesichts der teilweise zu beobachtenden staatlichen Angriffe auf die freie Berufsausübung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zunehmend Gewicht.

BRAK fordert verbindlichere Regeln und "Vertragstreue-Mechanismus"

Durch detailliertere Regelungen könne die Konvention praktisch handhabbarer werden und schutzsuchende Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gerade für rechtliche Auseinandersetzungen mit staatlichen Stellen - auch vor Gericht - eine verbindliche Grundlage bilden. Zugleich könnte die berufsrechtliche Rechtsprechung dadurch weiter ausgeformt werden. Optimal sei daher, wenn die Konvention selbst bereits in größerem Umfang individuelle und substanzielle Rechte der Anwaltschaft unmittelbar begründet und sich nicht - wie dies überwiegend im Entwurf vorgesehen ist - darauf beschränkt, lediglich Verpflichtungen des nationalen Gesetzgebers, bestimmte Regelungen zu erlassen, festschreibt. Dadurch würde die Konvention nämlich nicht unmittelbar dem Schutz Einzelner bei der Berufsausübung dienen. Zudem könnte der Schutzanspruch der Konvention weitgehend leerlaufen, wenn die nationalen Gesetzgeber nicht handeln und die Konvention trotz Ratifizierung umgehen. Insofern sei ein "Vertragstreue-Mechanismus" notwendig. Dieser sei in dem Entwurf zwar bereits vorgesehen, jedoch lägen noch keine Textentwürfe vor.

Garantie der Unabhängigkeit einschränkend zu verstehen

Die BRAK begrüßt, dass die Konvention das Recht auf Selbstverwaltung und Unabhängigkeit der Anwaltsvereinigungen garantiert. Sie weist jedoch darauf hin, die Garantie der Unabhängigkeit einschränkend zu verstehen. Die BRAK sei als juristische Person des öffentlichen Rechts als Körperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung organisiert. Damit sei sie Teil der mittelbaren Staatsverwaltung und unterliege gemäß § 176 Abs. 2 BRAO der Rechtsaufsicht des Bundes. Die Rechtsaufsicht sei mit der Unabhängigkeit der BRAK bei Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben vereinbar. Ähnlich dürfte es auch in anderen Ländern sein. Aufsicht und Regulierung seien auch im Rahmen der Konvention nicht ausgeschlossen. Sie müsse sich aber auf Rechtsaufsicht beschränken. Zweckmäßigkeitsaufsicht wäre nicht akzeptabel. Diese Thematik müsse noch eindeutig geregelt werden. 

Rechtsanwalt, Anwaltsvereinigung, Berufsgeheimnis: Definition zentraler Schlüsselbegriffe

Des Weiteren spricht sich die BRAK erneut dagegen aus, die Definition des Rechtsanwalts auf nicht zur gerichtlichen Vertretung befugte Rechtsdienstleister und jene Personengruppen auszuweiten, die gerade nicht zur Anwaltschaft zugelassen sind. Bei der Definition der Berufsvereinigungen fordert die BRAK erneut eine stärkere Betonung der Unabhängigkeit von Anwaltsorganisationen und damit der Anwaltschaft als solcher. Die Anwaltschaft sei Pfeiler des Rechtsstaates gerade aufgrund ihrer Staatsferne. Nur einem unabhängigen Anwalt könne sich der Mandant uneingeschränkt anvertrauen und damit sein grundrechtlich verbürgtes Recht auf ein faires Verfahren wahrnehmen. In Bezug auf die Begriffe Berufsgeheimnis und Vertraulichkeit betont die BRAK, dass in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen teilweise erheblich divergierende Regelungen bestehen, was sich auch in einer unterschiedlichen Terminologie niederschlägt. Da die Garantie des anwaltlichen Berufsgeheimnisses von zentraler Bedeutung ist, sollte eine Formulierung gewählt werden, die unter Vermeidung von Zweideutigkeit eine gemeinsame Basis anstelle von Lösungen auf jeweils nur nationaler Ebene bilden könnte.

Verweise auf das Case Law des EGMR nur redaktioneller Natur

Schließlich spricht sich die BRAK dagegen aus, die Präambel mit Erwägungen zu überfrachten, die schon weitgehend substanzielle Aussagen enthalten beziehungsweise unmittelbar auf substanzielle Regelungen bezogen sind und daher zum Teil etwas breit erscheinen. Außerdem warnt die BRAK davor, die im Entwurf an unterschiedlichen Stellen enthaltenen Verweise auf die Rechtsprechung des EGMR als weitergehenden Bezug in die Konvention aufzunehmen, da dies nicht in ein Regelwerk passe, das Anspruch erhebt, umfassend zu sein. Soweit es darum gehen sollte, Rechtsprechung des EGMR in die Konvention zu überführen, wäre das ein bekannter Ablauf, der bei Gesetzesvorhaben auf nationaler Ebene häufig zu finden ist. Auch würden Überschneidungen mit der EMRK nicht nur wahrscheinlich, sondern wohl unausweichlich sein, wenn das Ziel einer umfassenden Konvention erreicht werden soll.

Redaktion beck-aktuell, 3. November 2022.