BRAK sieht Richtlinienvorschlag über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen in der EU zwiespältig

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) befürwortet grundsätzlich die Schaffung transparenter und verlässlicher Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union. Den in einem Richtlinienvorschlag vom 21.12.2017 dazu vorgesehenen Regelungen stimmt sie in einer Stellungnahme vom Mai 2018 jedoch nur zum Teil zu. Denn einige Regelungen gingen über das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel deutlich hinaus, so die Kritik. Dies gelte insbesondere für die in der Richtlinie vorgesehene Rechtsfolge des Eintritts eines unbefristeten Vollzeit-Beschäftigungsverhältnisses, sollte der Arbeitgeber seine Transparenzpflicht gegenüber dem Beschäftigten nicht eingehalten haben.

BRAK begrüßt Erweiterung arbeitsrechtlichen Schutzes auf atypische Beschäftigungsformen

Zwar sei eine Erweiterung des arbeitsrechtlichen Schutzes auf sogenannte atypische Formen der Beschäftigung erforderlich, nachdem in den zurückliegenden Jahren ein erheblicher Anstieg dieser Beschäftigungsverhältnisse festzustellen sei, so die BRAK. Auch sei grundsätzlich den mit dieser Richtlinie verfolgten Zielen zuzustimmen, sichere und verlässliche Beschäftigung bei gleichzeitiger Wahrung einer Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu erreichen. In diesem Zusammenhang sei insbesondere das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu begrüßen, sowohl für eine verbesserte Transparenz der Arbeitsbedingungen als auch für eine Verstärkung des Rechtsschutzes ihrer Einhaltung zu sorgen, um damit der in atypischen Formen der Beschäftigung häufig anzutreffenden Instabilität durch arbeitsrechtliche Mindeststandards entgegenzuwirken.

Ausweitung des "Arbeitnehmer"-Begriffs begrüßt

Ausgehend von dieser grundsätzlichen Befürwortung der Richtlinie stellt die BRAK nach einer umfassenden inhaltlichen Prüfung jedoch fest, dass nur einem Teil der vorgesehenen Regelungen zugestimmt werden kann, wohingegen einige Regelungen über das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel deutlich hinausgingen. Ausdrücklich zuzustimmen sei der Erweiterung des persönlichen Geltungsbereichs der Richtlinie durch eine entsprechende Ausweitung der Definition des "Arbeitnehmer"-Begriffs auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, sodass auch die atypischen Formen der Beschäftigung unter den Schutzbereich der Richtlinie fallen. Ebenso zu begrüßen sei die in Art. 3 vorgesehene Erweiterung der Unterrichtungspflichten zu den Arbeitsbedingungen, welche sowohl im Hinblick auf die Vergütungs- als auch Arbeitszeit-Regelungen den spezifischen Anforderungen für atypische Beschäftigungsformen angemessen Rechnung tragen.

BRAK hat Bedenken gegen Begründung eines Vollzeit-Arbeitsverhältnisses

Erhebliche Bedenken hat die BRAK aber im Hinblick auf die in Art. 14 Alt. 1 vorgesehene Vermutungsregel für den Fall einer fehlenden oder unzureichenden Unterrichtung der Beschäftigten zu ihren Arbeitsbedingungen. Für diesen Fall soll kraft normativer Vermutung ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis auf einer Vollzeitstelle eintreten. Eine solche Rechtsfolge geht aus Sicht der BRAK weit über das Schutz- und Regelungsziel der Richtlinie hinaus. So gehe es nach der Begründung der Richtlinie um die Gewährleistung von Transparenz und Stabilität der Arbeitsbedingungen in atypischen Beschäftigungen. Eine Verletzung der erforderlichen Angaben des Arbeitgebers zu den flexiblen Arbeits- und Vergütungsbedingungen müsse daher zu einer Nachholung der fehlenden Angaben zur Herstellung der Transparenz der Arbeitsbedingungen führen, könne jedoch nicht zur Folge haben, dass eine völlig andere Beschäftigung begründet wird, welche von den Arbeitsvertragsparteien gar nicht angestrebt gewesen sei, nämlich ein Arbeitsverhältnis auf Vollzeit-Basis.

Arbeitgeber sollte Nachholung fehlender Angaben möglich sein

In diesem Zusammenhang fällt laut BRRAK auf, dass Alt. 1 von Art. 14 in Widerspruch zu der in Alt. 2 vorgeschlagenen verwaltungsrechtlichen Lösung steht. Danach habe der Arbeitgeber die Möglichkeit, innerhalb von 15 Tagen nach Eingang der behördlichen Anweisung die fehlenden Angaben zu dem Beschäftigungsverhältnis zu erteilen, um die unzureichende Transparenz der Beschäftigungsbedingungen zu beheben. Nur dann, wenn diese behördliche Frist erfolglos verstreicht, könne eine angemessene Verwaltungsstrafe verhängt werden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb bei der zivilrechtlichen Lösung gemäß Alt. 1 die dort vorgesehenen Rechtsfolgen (= Eintritt eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses auf Vollzeit-Stelle) unmittelbar eintreten sollen, ohne dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, die fehlenden Pflichtangaben zu den Arbeitsbedingungen nachzuholen.

BRAK moniert Unlösbarkeit des Vollzeit-Arbeitsverhältnisses

Die in Alt. 1 zu Art. 14 vorgesehene Regelung ist nach Ansicht der BRAK insbesondere auch deshalb abzulehnen, weil aufgrund der in Art. 17 vorgesehenen Regelung zu Kündigungsschutz und Beweislast keine Möglichkeit bestünde, eine Änderungs- oder Beendigungskündigung des kraft normativer Fiktion entstandenen Vollzeit-Arbeitsverhältnisses auszusprechen, um die von den Vertragsparteien vorgesehene flexible Beschäftigung unter Wahrung der hierfür erforderlichen Pflichtangaben herbeizuführen. Nach Art. 17 solle eine Kündigung nämlich unzulässig sein, wenn sie aus dem Grund erfolgt, dass der/die Arbeitnehmer/in die in der Richtlinie vorgesehenen Rechte in Anspruch genommen hat. Nimmt ein/e Arbeitnehmer/in das aus Art. 14 Alt. 1 folgende Recht in Anspruch, ein Vollzeit-Arbeitsverhältnis wegen fehlender Pflichtangaben geltend zu machen, so wäre eine hierauf erfolgende Änderungs- oder Beendigungskündigung des Arbeitgebers eine nach Art. 17 unzulässige und daher unwirksame Maßregelungs-Maßnahme. Dies hätte im Ernstfall zur Folge, dass aufgrund eines Fehlers des Arbeitgebers bei der Unterrichtung über die Beschäftigungsbedingungen ein Vollzeit-Arbeitsverhältnis entstünde, von welchem sich der Arbeitgeber nicht mehr lösen könnte.

BRAK für Beschränkung des Art. 14 der Richtlinie

Die dargelegten Gründe belegten, so die BRAK, dass die Richtlinie hinsichtlich der Rechtsfolgen unzureichender Informationen zu den Beschäftigungsbedingungen über das Regelungsziel deutlich hinausgeht. Im Hinblick hierauf empfiehlt sie, Art. 14 auf die dortige Alt. 2 zu beschränken, welche in geeigneter Form sicherstelle, dass innerhalb einer kurzen Frist eine vollständige Transparenz der Beschäftigungsbedingungen, und damit das Schutz- und Regelungs-Ziel der Richtlinie erreicht werde.

Redaktion beck-aktuell, 14. Mai 2018.

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