BRAK: Rechte in Großbritannien unter Herkunftsbezeichnung tätiger europäischer Anwälte auch nach Brexit sichern

Die zum Zeitpunkt des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU niedergelassenen Rechtsanwälte sollten auch künftig unter ihrer Herkunftsbezeichnung im Vereinigten Königreich tätig sein können, sofern sie dort auch ihren Wohnsitz haben. Dies fordert die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) im Zusammenhang mit den Austrittsverhandlungen der EU mit Großbritannien in einer Stellungnahme vom Juni 2018. Gleiches solle für Anwälte aus dem Vereinigten Königreich in EU-Mitgliedstaaten gelten, die unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung in einem EU-Mitgliedstaat niedergelassen sind.

Abkommensentwurf betrifft bislang nur Rechtsanwälte, die Berufsbezeichnung des Gastlandes erworben haben

Der am 28.02.2018 von der Europäischen Kommission veröffentliche Entwurf eines Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königsreiches aus der EU befasse sich auch ausdrücklich mit den Rechten der Rechtsanwälte, die die Berufsbezeichnung des Gastlandes erworben haben. Er befasse sich hingegen nicht mit den Rechten des europäischen Anwalts, der unter seiner Herkunftsbezeichnung im Vereinigten Königreich niedergelassen ist, oder dem englischen Anwalt, der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung in einem EU-Mitgliedstaat niedergelassen ist, erläutert die BRAK ihr Anliegen.

Leitlinien des Rates sehen Sicherung von Daueraufenthaltsrechten vor

In den Leitlinien des Europäischen Rates vom 29.04.2017 zu den Brexit-Verhandlungen werde betont, dass eine Einigung über gegenseitige Garantien, mit denen der Status und die Rechte, die sich zum Zeitpunkt des Austritts aus dem EU-Recht ableiten, für die Bürger der EU und des Vereinigten Königreichs und ihre Familien, die vom Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union betroffen sind, gewährleistet werden, in den Verhandlungen oberste Priorität hat. Diese Garantien müssten wirksam, durchsetzbar, nichtdiskriminierend und umfassend sein und das Recht beinhalten, nach einem ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt von fünf Jahren ein Daueraufenthaltsrecht zu erlangen. Nach dem am 28.02.2018 von der Kommission veröffentlichen Entwurf eines Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königsreiches aus der EU seien gemäß Artikel 9 die Regeln des 2. Teils des Abkommensentwurfes auf Personen anwendbar, die ihren Wohnsitz ("residence") als EU27 Bürger im Vereinigten Königreich oder als Bürger des Vereinigten Königreiches in einem der EU27 Staaten haben.

Regelung der "Professional qualifications"

Titel II Kapitel 3 des 2. Teils des Abkommens verhält sich laut BRAK zu "Professional qualifications". In den Artikeln 25 bis 27 werde ausdrücklich auch die Berechtigung der Rechtsanwälte zur Berufsausübung geregelt. Vorgesehen sei, dass Anwälte, die entweder durch die Eignungsprüfung im Sinne von Artikel 14 der Berufsqualifikationsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG oder durch drei Jahre Praxis im Recht des Gastlandes gemäß Artikel 10 der Niederlassungsrichtlinie für Rechtsanwälte 98/5/EG Zugang zum Rechtsanwaltsberuf des Gastlandes erworben haben, ihre Rechte behalten, den Anwaltsberuf im Gastland auszuüben. Voraussetzung sei, dass sie im Gastland das "right to reside“ im Sinne von Artikel 9ff. des Abkommens erworben haben.

Vorgeschlagene Regelung der Besitzstandswahrung eng

Damit sei die vorgeschlagene Regelung der Besitzstandswahrung deutlich enger als sie es bei einem Fortgelten der Niederlassungsrichtlinie 98/5/EG wäre. Denn nach der Niederlassungsrichtlinie wären Niederlassungen in mehreren europäischen Mitgliedstaaten und unabhängig vom Wohnsitz ("residence") möglich. In Zukunft werde die Möglichkeit der Niederlassung beschränkt sein auf das Land, in dem der jeweilige Rechtsanwalt am Stichtag den Wohnsitz hat und die Voraussetzung der Anwendbarkeit des 2. Teil des Abkommens, das "right to reside", erfüllt.

Regelung umfasst Praktizieren unter ursprünglicher Berufsbezeichnung nicht

Diese Regelung begrüßt die BRAK. Sie greift ihr in einem Punkt aber zu kurz: Europäische Anwälte, die unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung praktizieren – was nach der Niederlassungsrichtlinie 98/5/EG der Normalfall sei – würden auch durch das "right to reside" im Vereinigten Königreich oder in einem der EU27 Staaten nicht in ihren Rechten, den Beruf weiterhin auszuüben, geschützt. Sie verlören das Recht, weiterhin unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung im Recht des Staates, in dem sie rechtmäßig leben (und damit auch im Recht der EU), zu praktizieren.

Entwertung des Rechts auf Daueraufenthalt

Ihre derzeitigen Rechte, den Beruf am Ort ihres Wohnsitzes unter der Berufsbezeichnung des Herkunftslandes auszuüben, leiteten sich ebenso wie die Rechte der von den Artikeln 25, 26 des Entwurfes bereits erfassten Personengruppen aus dem EU-Recht her. Sie in Zukunft auf diejenigen Rechte zu beschränken, die das Gastland im Rahmen des GATS und/oder einseitig nach seinem nationalen Recht gewährt, erscheint der BRAK unangemessen. Dies bleibe insbesondere hinter dem vom Europäischen Rat selbst formulierten, eingangs wörtlich wiedergegeben Anspruch zurück. Wenn deutsche Anwälte, die im Vereinigten Königreich niedergelassen sind oder Anwälte des Vereinigten Königsreiches, die in Deutschland niedergelassen sind und am Ort der Niederlassung ihren Wohnsitz im Sinne des Abkommens haben, in Zukunft nicht mehr im Recht des Gastlandes (und damit im Recht der Union) praktizieren dürften, wäre auch das Recht, weiterhin im Gastland zu leben, weitgehend entwertet.

Freizügigkeitsrechte sollten von Regelung in Austrittsabkommen ausgeschlossen bleiben

Etwas anderes gilt laut BRAK für darüber hinaus gehende Freizügigkeitsrechte im Sinne der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, zum Beispiel grenzüberschreitende Rechtsdienstleistung, die Möglichkeit, im Recht weiterer Rechtsordnungen europäischer Länder zu praktizieren, oder in mehreren Ländern niedergelassen zu sein. Diese Rechte sollten nach Auffassung der BRAK von der Regelung im Austrittsabkommen ausgeschlossen bleiben.

Recht zu praktizieren sollte sich auf Staat der "residence" beschränken

Die rechtstechnische Umsetzung einer Besitzstandswahrung, beschränkt auf die Berufsausübung im Staate des Wohnsitzes, wäre nach Ansicht der BRAK einfach. Es genüge als tatbestandliche Voraussetzung die Kombination von Niederlassung im Sinne von Artikel 3 der Niederlassungsrichtlinie (Registrierung bei der zuständigen Behörde, also Mitgliedschaft in der Anwaltskammer) einerseits und "right to reside" im Sinne der Vorschriften des Austrittsabkommens im Lande der Niederlassung andererseits – verbunden mit der Rechtsfolge, dass die nach dem EU-Recht erworbenen Rechte, zu praktizieren, sich vom Stichtag an auf den Staat der „residence“ im Rahmen der dort erfolgten Umsetzung der Richtlinie 98/5/EG beschränken.

Kriterium des Wohnsitzes soll entscheidend sein

Durch diese Regelung könnten gleichzeitig alle über das notwendige Maß der Besitzstandswahrung hinausgehenden Freizügigkeitsrechte genommen beziehungsweise dem Abkommen über die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königsreich und der EU vorbehalten bleiben, meint die BRAK. Sie spricht sich deswegen dafür aus, dass auch künftig die zum Zeitpunkt des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU niedergelassenen Rechtsanwälte unter ihrer Herkunftsbezeichnung im Vereinigten Königreich oder Anwälte aus dem Vereinigten Königreich in EU-Mitgliedstaaten unter ihrer Herkunftsbezeichnung tätig sein können, sofern sie dort auch ihren Wohnsitz haben. Es gölten hier die gleichen Beschränkungen und Voraussetzungen wie für die in den Berufsstand des Gastlandes integrierten Rechtsanwälte. Die Frage der anwaltlichen Tätigkeit von Anwälten aus dem Vereinigten Königreich, die sich nach dem Brexit in Deutschland niederlassen wollen, behandelt die BRAK in ihrer Stellungnahme nicht.

Redaktion beck-aktuell, 22. Juni 2018.

Mehr zum Thema