In dem geplanten Leitentscheidungsverfahren sollen wichtige Rechtsfragen, von deren Beantwortung eine Vielzahl von Einzelfällen abhängt, vorab entschieden werden. Instanzgerichten soll in diesem Zusammenhang ermöglicht werden, von der Beantwortung der Rechtsfrage abhängige Verfahren auszusetzen.
BRAK vermisst Daten zum Entlastungspotential
Die BRAK unterstützt zwar das Ziel des Gesetzentwurfs, der Belastung der Ziviljustiz durch Massenverfahren zu begegnen. Es müsse aber ein schlüssiges Gesamtkonzept geben, wie das Phänomen Massenschäden und die daraus folgenden Klagen von der Justiz in einem praktikablen und gleichzeitig auch rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahren bewältigt werden können.
Nach wie vor lägen keine konkreten Zahlen vor, wie viele Massenverfahren es gebe und in welchem Maß sie die Ziviljustiz trotz des Rückgangs der Eingänge belasteten. Welches Entlastungspotential die vorgeschlagene Neuregelung haben werde, hänge nach der Konzeption des Entwurfs einerseits davon ab, wie viele Leitentscheidungsverfahren der Bundesgerichtshof bestimmt, und andererseits davon, in welchem Maß Instanzgerichte bei ihnen anhängige Verfahren aussetzen.
Das Instanzgericht soll das bei ihm anhängige Verfahren nur aussetzen können, wenn die Parteien zustimmen. Die BRAK unterstützt dieses Zustimmungserfordernis mit Blick auf drohende Verfahrensverzögerungen.
Parteien haben nicht mehr die volle Kontrolle
Es sei absehbar, dass der Entlastungseffekt auch davon beeinflusst werde, wie viele Revisionsverfahren zum Bundesgerichtshof gelangten. Die Anzahl dieser Verfahren hänge nicht nur davon ab, wie viele Revisionen die Berufungsgerichte und der Bundesgerichtshof auf Nichtzulassungsbeschwerden hin zuließen, sondern auch davon, wie viele der in zweiter Instanz unterlegenen Parteien sich dazu entscheiden würden, sich mit einer zugelassenen Revision oder mit einer Nichtzulassungsbeschwerde an den Bundesgerichtshof zu wenden.
In diese Entscheidung werde die bis dahin unterlegene Partei die Überlegung einfließen lassen, ob sie ein Verfahren führen möchte, das der BGH zu einem – dem Zivilprozess bislang fremden – Leitentscheidungsverfahren machen könnte, in dem auch dann eine Entscheidung ergeht, wenn das Verfahren durch Rücknahme, Vergleich oder durch ein Anerkenntnisurteil erledigt wird.
Das neue Leitentscheidungsverfahren verstärke nicht nur die bedenkliche Entwicklung, die mit der Einführung von § 555 Abs. 3 ZPO und von § 565 Satz 2 ZPO begonnen habe, sondern gehe sogar über diese hinaus, indem sie den Parteien das Revisionsverfahren durch die nicht verhinderbare Leitentscheidung ein Stück weit aus der Hand nehme. Die Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens und seine Beibehaltung seien deshalb nur zu rechtfertigen, wenn das neue Verfahren auf Dauer zu einer messbaren Entlastung der Ziviljustiz führe.