Empörung über fehlende Einbindung der Verbände
Die BRAK kritisiert insbesondere, dass die Verbände auch bei diesem wichtigen Gesetzesvorhaben, das noch zum Ende der Legislaturperiode realisiert werden soll, erneut nicht eingebunden worden seien. Weder habe eine Verbändeanhörung stattgefunden noch sei der Entwurf, der zu einem radikalen Paradigmenwechsel im Strafverfahren führen würde, der BRAK überhaupt zugeleitet worden. Rechtsanwältin Ulrike Paul, Vizepräsidentin der BRAK, zeigt sich empört: "Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb nach aller Kritik zur unzureichenden Verbändeanhörung im Rahmen der Krisengesetzgebung nun auch bei Gesetzentwürfen ohne Corona-Bezug an den Rechtsanwendern als Experten, also der Anwaltschaft, vorbei agiert wird."
"Provisorischer Freispruch" bedarf gründlicher Prüfung
Besonders negativ stößt der BRAK auf, welchen Weg der Entwurf genommen habe. Das Bundesjustizministerium solle nicht beteiligt gewesen sein. "Dieses Verfahren halte ich für keinen gangbaren Weg", so Paul. Für eine sorgfältige Prüfung – und ordnungsgemäße Beteiligung der Verbände – sei bei dem anvisierten sportlichen Zeitplan in den letzten beiden Sitzungswochen schlicht kein Raum. "Wenn wir schon eine klare Durchbrechung der Rechtskraft umsetzen wollen, dann muss das sorgfältig diskutiert werden. Schnellschüsse bei derart wichtigen Themen halte ich für fatal! Einen provisorischen Freispruch – und nichts anderes liegt hier auf dem Tapet – muss man unter allen rechtlichen, auch verfassungsrechtlichen, Gesichtspunkten prüfen."