BRAK kritisiert Entwurf des Legal-Tech-Gesetzes

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) kritisiert den Referentenentwurf des Legal-Tech-Gesetzes in weiten Teilen. Angesichts der Entwicklungen im Rechtsdienstleistungsmarkt begrüßt sie, dass der Gesetzgeber das Thema Legal Tech und Inkasso aufgreift. Sie befürwortet die vorgesehenen stärkeren Kontrollen von Inkassodienstleistern und Verschärfungen ihrer Informationspflichten. Legal Tech dürfe es aber nicht ohne anwaltliche Beteiligung geben.

Verbraucherschutz und Kernwerte der Anwaltschaft in Gefahr

Deshalb lehnt die BRAK den Ansatz des Gesetzentwurfs, einen sich unterhalb der Anwaltschaft etablierenden Rechtsdienstleistungsmarkt weiter zu fördern, ab. Verbraucherschutz werde mit dem Entwurf nicht erreicht, sondern im Gegenteil gefährdet. Außerdem drohten die Kernwerte der Anwaltschaft und damit rechtsstaatliche Prinzipien ausgehöhlt zu werden.

Prozessfinanzierung und Erfolgshonorar: Interessenskonflikte vorprogrammiert

Die BRAK lehnt daher die vorgesehenen Regelungen zu Prozessfinanzierung und Erfolgshonorar nachdrücklich ab. Sie gefährdeten die Unabhängigkeit der Anwaltschaft, bedingten Interessenskonflikte und stünden mit den Systemen der Kostenerstattung sowie der Beratungs- und Prozess- beziehungsweise Verfahrenskostenhilfe nicht im Einklang. Die BRAK lehne jegliche weitere Lockerungen des bestehenden Erfolgshonorarverbots für Rechtsanwälte ab. Denn solche führten zu Interessengegensätzen zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Der Anwalt werde zum Investor des Mandats und damit gleichsam zur Partei. Er sei dann nicht mehr das unabhängige Organ der Rechtspflege, das § 1 BRAO statuiert. Diese Gefahr setze sich durch die vorgesehene Möglichkeit der Prozessfinanzierung fort. Der Anwalt rücke in den gewerblichen Tätigkeitsbereich und würde zwangsläufig eigene wirtschaftliche Interessen mit dem Ausgang des Prozesses verknüpfen, was ebenfalls einen strukturellen Interessenskonflikt vorprogrammiert. Das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant würde erheblich belastet. Dieses Vertrauensverhältnis und die Integrität des anwaltlichen Berufsstandes seien Werte, die nicht aufs Spiel gesetzt werden dürften, betont die BRAK.

Kürzung des Verbraucherschutzes in mehrfacher Hinsicht

Das Ziel des Verbraucherschutzes werde mit dem Entwurf in mehrfacher Hinsicht verfehlt, so die BRAK weiter. Die Rechtsdurchsetzung werde für Verbraucher einerseits tatsächlich teurer. Der Verbraucher werde seine – berechtigte – Forderung künftig nie mehr zu 100% erhalten. Denn bei Legal-Tech-Inkasso würden üblicherweise nur Forderungen mit sehr hoher Erfolgsaussicht übernommen, die für das Unternehmen lukrativ sind und von denen der Verbraucher in der Regel 30% als Honorar abgeben muss. Bei anwaltlicher Vertretung erhielte der Gläubiger dagegen zusätzlich zu den 100% seiner Forderung die Rechtsverfolgungskosten erstattet. Eine vollständige Kostenerstattung durch den Gegner finde im Fall des Obsiegens bei einem vereinbarten Erfolgshonorar, im Gegensatz zum Kostenerstattungssystem des RVG, nicht statt. Andererseits werde für Verbraucher der Zugang zum Recht faktisch beschränkt: Von Legal-Tech-Anbietern würden nicht alle denkbaren Forderungen durchgesetzt, sondern nur diejenigen, die eben in dem standardisierten Legal-Tech-Modell abgebildet sind. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen der Tätigkeit und Zulassung als Inkassodienstleister in dem Entwurf nur unzureichend geregelt. Das sei unbefriedigend, denn Rechtssicherheit werde auf diese Weise ebenso wenig gewährleistet, wie Verbraucherschutz sichergestellt wird.

Unabhängigkeit der Anwälte zu bewahren

"Die BRAK wendet sich nicht gegen Legal Tech oder Inkassodienstleistung. Im Gegenteil. Legal Tech ist aus dem Anwaltsmarkt nicht mehr wegzudenken und wird bereits von der Anwaltschaft genutzt – und zwar auf die Mandatsstruktur angepasst und ganz ohne Erfolgshonorar. Genau dort gehört Legal Tech auch hin: In den Anwaltsmarkt und mit Menschenvorbehalt! Die BRAK tritt für eine uneingeschränkte Aufrechterhaltung und Einhaltung der Kernwerte der Anwaltschaft ein. Diese sind – anders als bei nicht-anwaltlichen Rechtsdienstleistern und Legal-Tech-Anbietern – unsere Markenzeichen. Und sie begründen das in den Rechtsstaat und in die Anwaltschaft gesetzte Vertrauen", so BRAK-Präsident Ulrich Wessels. Anwälte seien unabhängig und verschwiegen. "Das eint uns", so Wessels. Diese Einheit der Anwaltschaft dürfe jetzt nicht dadurch gefährdet werden, dass Teilgruppen zum Zwecke der Gewinnmaximierung die Unabhängigkeit dadurch gefährden, dass sie ihr Interesse über das der Mandanten stellen, bekräftigt Wessels. Genau diese Gefahr bringe der vorgelegte Entwurf aber mit sich. Last but not least verkenne der Gesetzgeber die Stellung der Anwaltschaft im Rechtsstaat. Denn Rechtsanwälte gewährleisteten einen maßgeblichen Beitrag zur Sicherung des Zugangs zum Recht und hätten für das Funktionieren des Rechtsstaates eine elementare Bedeutung. "Zumal – und so schließt sich der Kreis – die anwaltlichen Berufspflichten gesetzlich verankerter Verbraucherschutz sind", so Wessels abschließend.

Redaktion beck-aktuell, 8. Dezember 2020.