BRAK: Handyortung der Kontaktpersonen Corona-Infizierter nur als Ultima Ratio

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) sieht die zur Eindämmung der Corona-Gefahr ins Auge gefasste Nachverfolgung der Kontaktpersonen von Corona-Infizierten durch "Handyortung" kritisch. Sie verdeutlicht in ihrer Stellungnahme zu geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes vom 30.03.2020, dass eine solche Handyortung nur als Ultima Ratio in Betracht kommen dürfe. Denn der Eingriff richte sich gegen Unbeteiligte.

Besonders sorgfältige Abwägung erforderlich

Zwar klinge es plausibel, dass die Bürger bestimmte Freiheiten sehr viel eher und leichter zurückbekommen könnten, wenn sichergestellt wäre, dass Infektionsherde und Infektionsketten schnell erkannt und dementsprechend unterbrochen werden könnten, führt die BRAK aus. Gleichwohl dürfe nicht übersehen werden, dass mit der auf diese Weise zurückgewonnenen Freiheit ein massiver Eingriff in Grundrechte einhergehe. Hier sei eine besonders sorgfältige Abwägung vonnöten. Eine solche gesundheitspolizeiliche Maßnahme stelle einen nicht unerheblichen und zugleich flächendeckenden Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und möglicherweise auch gegen das Grundrecht aus Art. 10 GG (Fernmeldegeheimnis) dar.

Maßnahme gegen "Nicht-Störer"

Die BRAK hebt besonders hervor, dass die "Handyortung" nach dem Infektionsschutzgesetzes von vornherein auf "Unbeteiligte" ziele, nämlich auf die Kontaktpersonen von Corona-Infizierten, und nicht auf die Corona-Infizierten selbst. Die Maßnahme würde sich also gegen Nicht-Störer richten. Von der zu überwachenden Person gehe also "nur" ein Risiko für das Gesundheitssystem aus (nicht kontrollierbare Verbreitung), allerdings (noch) keine (sichere) Gefahr für Leben und Gesundheit Dritter (möglicherweise zu Infizierender). Dabei sei zu beachten, dass das Infektionsschutzgesetz an anderer Stelle, nämlich bei der Strafbewehrung (§ 74 IfSG) sehr wohl danach differenziere, ob wirklich eine Gefahr, nämlich eine Infizierung, verwirklicht wurde.

"Handyortung" nur als Ultima Ratio verantwortbar

Trotz der "nie da gewesenen Krisensituation", in der sich Deutschland gerade befinde, müssten rechtsstaatliche (Mindest-)Garantien erhalten bleiben, unterstreicht die BRAK. Auch wenn die Gesundheit ein hohes Gut sei, dürften Grundrechte, die von elementarer Bedeutung für unseren Rechtsstaat sind, nicht ungeprüft und ohne sorgfältige Abwägung dem vorbeugenden Gesundheitsschutz untergeordnet werden. Jegliche Überwachung berge rechtsstaatliche Risiken und erhebliche datenschutzrechtliche Probleme, die es auch in Krisensituationen grundsätzlich zu vermeiden gelte. Daher dürfe eine derartige Maßnahme nur als Ultima Ratio in Betracht kommen.

Mögliche Regelung muss Hinweis auf Grundrechtseinschränkung enthalten

Abschließend weist die BRAK darauf hin, dass bei einer etwaigen Regelung der Handyortung in § 28 IfSG im Sinne des Zitiergebotes der Hinweis nicht fehlen dürfe, dass auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingeschränkt werden kann. Dies sei nicht nur rein handwerklich geboten, sondern auch, um der handelnden Exekutive deutlich zu machen, wie weitreichend die Maßnahmen sind. Der Tragweite ihrer Entscheidungen sollten und müssten sich die handelnden Behörden deutlich bewusst sein.

Abweichung vom Föderalismus nur aus zwingenden Gründen

Weiter nimmt die BRAK Stellung zur Übertragung von Kompetenzen auf den Bund zur Bekämpfung epidemischer Lagen und betont die Rolle des Föderalismus als einen der tragenden Verfassungsrechtsgrundsätze, der auch angesichts der Krise nicht in Gänze in Frage gestellt werden dürfe. Vielmehr sollte – aus historisch aus gutem Grund – hiervon nur dort abgewichen werden, wo es zwingend notwendig erscheint.

Kritik an Regelung zu Entschädigung bei Kinderbetreuung

Auch die geplante Regelung zur Entschädigung bei Kinderbetreuung (§ 56 Abs. 1a IfSG) sieht die BRAK kritisch. Sie bewege sich zu wenig im Bereich des Entschädigungsrechts. Es sollte auch klargestellt werden, für welche Sachverhalte Entschädigungsansprüche positiv rechtlich begründet werden und für welche nicht. Auch die Frage, wie unmittelbar die behördliche Maßnahme für den eigenen Schaden beziehungsweise Vermögensverlust sein muss, müsste geklärt werden. Auch wäre eine eindeutige Klarstellung vonnöten, wer genau Anspruchsberechtigter sein kann. Können dies auch Unternehmen sein? Auch hinsichtlich der Höhe blieben Fragen offen, insbesondere, ob die "67-Prozent-Regel" allgemein gelten soll. Unklar bleibe auch die Subsidiarität im Verhältnis zu anderen Hilfsmöglichkeiten, und zwar vom Darlehen über Kurzarbeit-Geld bis hin zu den (Sofort-) Zuschüssen. Die BRAK warnt davor, all diese Fragen den Gerichten zu überlassen, die ihrerseits erst entsprechende neue Auslegungen ermitteln müssten. Dies könnte schlimmstenfalls zu einer erheblichen Belastung der Gerichte führen, die ohnehin nach der Krise einen nicht unerheblichen Rückstau durch verschobene Verfahren werden bewältigen müssen.

Redaktion beck-aktuell, 30. März 2020.

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