BRAK gegen Lockerung anwaltlicher Berufspflichten

In einer Stellungnahme zur Klärung des Verhältnisses anwaltlicher Rechtsdienstleistungen zu gewerblichen Rechtsdienstleistungen durch Inkassounternehmen verteidigt die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) das anwaltliche Berufsrecht als Qualitätsmerkmal und wendet sich gegen eine Lockerung anwaltlicher Berufspflichten. Gleichzeitig tritt sie für eine Modernisierung des anwaltlichen Werberechts ein und mahnt eine gesetzliche Konkretisierung des Inkassobegriffs an.

Anwaltliches Berufsrecht als Qualitätsmerkmal

Die BRAK sieht das anwaltliche Berufsrecht nicht als Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen, weniger regulierten, insbesondere gewerblich tätigen Marktteilnehmern an. Das anwaltliche Berufsrecht stelle – neben einer hohen fachlichen Qualifikation der Berufsträger – ein wesentliches Qualitätsmerkmal der unabhängigen, nur am Interesse der Mandanten orientierten anwaltlichen Rechtsdienstleistung dar. Darüber hinaus könne das rechtsuchende Publikum bei Inanspruchnahme anwaltlicher Leistungen eine auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls bezogene Prüfung der Rechtslage, Beratung und Vertretung erwarten, während Inkassodienstleister standardisierte Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Wenn im Bereich des Legal Tech die Rechtsdienstleistung in der Bereitstellung von Algorithmen besteht, unterscheide sich diese Tätigkeit wesentlich von anwaltlichen Rechtsdienstleistungen, welche durch Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalls die Interessen der Mandanten zu schützen haben.

BRAK gegen Lockerung anwaltlicher Berufspflichten

Nach alledem kann eine Kohärenz nach Ansicht der BRAK nicht erreicht werden, indem Berufspflichten der Anwaltschaft zum Schutz der Mandanten und damit letztlich auch der Verbraucher gelockert oder gar abgeschafft werden. Dies würde die Unterschiede der Tätigkeiten verwischen und zu einer weiteren Annäherung der beruflichen Rechte und Pflichten mit Inkassodienstleistern führen, die der besonderen Rolle der Anwaltschaft im Rechtsstaat nicht gerecht wird. Allerdings betont die BRAK, dass dies nicht grundsätzlich ausschließe, dass es im anwaltlichen Berufsrecht punktuell Regelungen geben mag, die als reformbedürftig angesehen werden. Weiter hebt die BRAK hervor, dass sie die derzeit geltenden Berufsplichten nicht primär vor dem Hintergrund der Öffnung des Rechtsdienstleistungsmarktes durch die jüngsten Entwicklungen der Rechtsprechung und des Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt evaluiert. Eine Überprüfung des anwaltlichen Berufsrechts sollte sich weiterhin an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege durch Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit und der Geradlinigkeit der Berufsausübung orientieren.

Modernisierung anwaltlichen Werberechts befürwortet

Unabhängig von Fragen der Rechtsdienstleistungsbefugnis der Inkassounternehmen sollten die Einschränkungen des Werberechts in § 43b BRAO der Rechtsprechung angepasst und damit das Werberecht auch moderner gestaltet werden, um Anwälten eine sichere Grundlage für ihre Werbung zu geben.

Konkretisierungen bei Inkassotätigkeit gewünscht

Klärungsbedarf ergibt sich nach Ansicht der BRAK weiterhin aus der zu § 43d BRAO bestehenden Rechtsunsicherheit. Es erscheine unklar, ob die Anwaltschaft aufgrund dieser Vorschrift auch bei jeder im Einzelfall mandatierten Forderungseinziehung den Darlegungs- und Informationspflichten des § 43d BRAO unterliegt. Der Gesetzgeber sollte insoweit klarstellen, dass § 43d BRAO nur anwendbar ist, wenn die Inkassotätigkeit als "eigenständiges Geschäft" betrieben wird. Vor allem aber bestehe Rechtsunsicherheit durch das Fehlen einer gesetzlich normierten Konkretisierung des Inkassobegriffs. Die Anwaltschaft sei insoweit betroffen auch im Zusammenhang mit dem Erfolgshonorar, § 4a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RVG und im Vergütungsrecht, Nr. 2300 VV RVG. Die Konkretisierung des Inkassobegriffs sollte nicht der Rechtsprechung überlassen werden, fordert die BRAK, zumal die Fragen des Rechtsdienstleistungsrechts in der Regel nur als Vorfrage zu gänzlich anderen rechtlichen Fragestellungen entscheidungserheblich werden. Die BRAK sehe neben der Konkretisierung des Inkassobegriffs zum Schutze der Verbraucher Regulierungsbedarf über die bereits bestehenden Vorschriften der §§ 13 ff. RDG hinaus.

Hintergrund

Entsprechend der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt vom 09.06.2021 hatte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, zu prüfen, ob die Kohärenz zwischen den berufsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsanwaltschaft einerseits und andere Rechtsdienstleister andererseits Anpassungen im Hinblick auf weitere Anforderungen (beispielsweise Verschwiegenheitspflichten) notwendig macht. Hierzu hat das Bundesjustizministerium die BRAK befragt.

Redaktion beck-aktuell, 13. Januar 2022.