BRAK fordert Nachbesserungen an geplanter Musterfeststellungsklage in Verbraucherstreitsachen

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) sieht bei der geplanten Musterfeststellungsklage in Verbraucherstreitsachen Nachbesserungsbedarf. Dies geht aus ihrer Stellungnahme vom Oktober 2017 zum Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums hervor. Insbesondere dürfe das Ziel, die effektive Durchsetzung des Verbrauchervertragsrechts zu gewährleisten, nicht dazu führen, dass bewährte verfahrensrechtliche Instrumente wie im Lauterkeitsrechts untergraben werden.

Schlagkraft der UWG-Verbände nicht beeinträchtigen

Laut BRAK würde eine Beeinträchtigung des Durchsetzungsvermögens der lauterkeitsrechtlich tätigen Verbände gerade auch dem Interesse der Verbraucher zuwiderlaufen. Die im Wettbewerbsrecht vorgesehenen Institute hätten eine auf den eigenen Gewinn fokussierte "Klage-Industrie" nicht entstehen lassen. Die Verbraucher würden nicht gedrängt, an gerichtlichen Verfahren mitzuwirken. Sie müssten auf keine eigenen Rechte verzichten und sie müssten sich nicht einem Vergleich unterwerfen, auf dessen Inhalt sie selbst keinen Einfluss hätten. Die Grundsätze zur Aktivlegitimation im Lauterkeitsrecht sollten deshalb unverändert bleiben. Denn das Lauterkeitsrecht verfolge die Einhaltung der Grundsätze eines fairen Wettbewerbs. Insbesondere sei es nicht angemessen, neben den Gewinnabschöpfungsanspruch einen "Massen-Schadensersatzanspruch" zu setzen. Dem Verbraucher stünden Informationsrechte und Gewährleistungsansprüche zu, die im Rahmen des vertraglichen Rechtschutzes ausreichend seien, um ihm die Durchsetzung seiner berechtigten Interessen zu ermöglichen.

Anwendungsbereich der Musterfeststellungsklage begrenzen

Die BRAK hält es für erforderlich, den Anwendungsbereich der Musterfeststellungsklage in Verbraucherstreitsachen, der nach dem Wortlaut etwa auch den Bereich des KapMuG erfassen würde, einzugrenzen. Eine solche Doppelung scheine nicht gewünscht. Solle es bei der bisherigen Weite des Anwendungsbereichs verbleiben, könnte das KapMuG abgeschafft werden. Dies wäre aber für größere Individualansprüche nicht sinnvoll. Nach Ansicht der BRAK sollte daher erwogen werden, den Anwendungsbereich des KapMuG auszudehnen. Jedenfalls aber sollte die Musterfeststellungsklage in Verbraucherstreitsachen auf solche Lebenssachverhalte beschränkt werden, die keiner Sonderregelung unterlägen. Zudem regt die BRAK an, den Anwendungsbereich des Musterverfahrens auf Fälle zu begrenzen, bei denen nicht wirklich mit Individualklagen zu rechnen sei, um zu verhindern, dass Verbände die Rechtsverfolgung einfach an sich ziehen und dadurch die Rechtsverfolgung der individuellen Kläger lähmen können.

Regelungen für Beklagtenseite erforderlich

Ferner vermisst die BRAK Regelungen für die Beklagtenseite. So sollte in Bezug auf die Vorgreiflichkeit klargestellt werden, dass die Ansprüche sich gegen denselben Beklagten und nicht auch andere von denselben Vorfragen betroffene Haftungsschuldner richten müssen, oder zumindest geregelt werden, was geschehe, wenn weitere Anspruchsgegner einbezogen werden sollen.

Gesetzliche Prozessstandschaft für Betroffene der glaubhaft zu machenden Ausgangsfälle

Laut BRAK ist weiter zu erwägen, ob die nach § 606 ZPO-E vorausgesetzte Zahl an Ausgangsfällen für die Zulässigkeit der Musterfeststellungsklage vom Institut der gesetzlichen Prozessstandschaft erfasst werden mit der Folge, dass die Betroffenen an das Urteil gebunden wären. Denn anderenfalls wäre es denkbar, dass, sofern sich sonst niemand in das Klageregister eintragen lasse, das Urteil nur den klagenden Verband und den Beklagten bindet.

Einbeziehung weiterer Beklagter und Feststellungsgegenstände per Nebenintervention

Darüber hinaus fordert die BRAK eine restriktivere Fassung des § 611 Abs. 1 ZPO-E. Es sollte klargestellt werden, dass eine weitere Musterfeststellungsklage, deren Feststellungsziele den gleichen zugrunde liegenden Lebenssachverhalt beträfen, unzulässig sei, wenn ein Urteil vorliegt. Andererseits müsse es für individuelle Anspruchsteller und gegebenenfalls andere Verbände möglich sein, per Nebenintervention weitere Beklagte und/oder Feststellungsgegenstände in das Verfahren einzubeziehen und gegebenenfalls auch den Sachverhaltsvortrag zu ergänzen, sofern dies nach der Beurteilung des Gerichts sachdienlich sei.

Ausschluss der Streitverkündung zweifelhaft

Kritisch sieht die BRAK auch den Ausschluss der Streitverkündung in § 611 Abs. 3 ZPO-E. In vielen Fällen, in denen von der Verantwortlichkeit des Beklagten für ein Produkt oder eine Dienstleistung auszugehen sei, habe er diese Leistung arbeitsteilig erbracht. Sei etwa das Netzteil eines Rechners schadhaft, so hafte zwar der Verkäufer. Dieser werde jedoch im Zweifel einen Regressanspruch gegen den Lieferanten des Netzteils (Dritter) geltend machen. Mit § 72 ZPO könnte der Lieferant die Feststellungen der Musterfeststellungsklage im Verhältnis zu diesen Dritten perpetuieren. Die BRAK hält es für unbefriedigend, wenn in der Musterfeststellungsklage ein Verstoß des Netzteils gegen die Regeln der Technik festgestellt würde, im anschließenden Regressprozess hingegen ein Regelverstoß verneint würde.

Gerichtliche Inhaltskontrolle eines Vergleichs stellt Fremdkörper dar

Im Hinblick auf die Vergleichsregelung betrachtet die BRAK die Inhaltskontrolle durch das Gericht nach § 612 Abs. 3 ZPO-E als Fremdkörper. In Erwägung zu ziehen sei allenfalls eine Minimalkontrolle, da die Anspruchsteller nicht zwingend anwaltlich vertreten seien. Zu überdenken sei auch das 30%-Quorum der austretenden Anmelder für die Unwirksamkeit des Vergleichs. Die BRAK regt an, die Verfahrensbeteiligten das Quorum unterhalb von 50% Gestaltungsfreiheit selbst gestalten zu lassen. Nur für den Fall, dass die Parteien nichts vereinbaren, sollte ihr zufolge das Gesetz eingreifen.

Regelung zur Streitwertminderung streichen

Darüber hinaus fordert die BRAK, die Vorschrift zur Streitwertminderung in § 615 ZPO-E zu streichen. Danach kann das Gericht anordnen, dass bei einer Partei, die wirtschaftlich erheblich gefährdet würde, müsste sie die vollen Prozesskosten zahlen, die Gerichtskosten nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Streitwert zu bemessen sind. Ebenfalls nach dem angepassten Streitwert richten sich die Gebühren des Anwalts der begünstigten Partei und die Kostenerstattung der Gegenseite, während die Gegenseite bei Obsiegen der begünstigten Partei die Anwaltsgebühren nach dem vollen Streitwert erstatten muss. Die BRAK moniert, dass die Regelung das Prinzip der Prozesskostenhilfegewährung sowie das Kostenerstattungsprinzip durchbreche. Anders als im gewerblichen Rechtsschutz, in dem es meistens um hohe Streitwerte gehe, könne aber der Gedanke der Gewährleistung des Zugangs zum Recht die Streitwertminderung bei Musterfeststellungsklagen in Verbraucherstreitsachen nicht rechtfertigen. Denn hier würden in der Regel nicht so hohe Streitwerte anfallen, dass eine Partei dadurch wirtschaftlich gefährdet oder von ihrer Bereitschaft zur Rechtsdurchsetzung oder -verteidigung abgehalten würde.

Redaktion beck-aktuell, 10. Oktober 2017.

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