BRAK: Geplantes Wachstumschancengesetz torpediert anwaltliche Verschwiegenheitspflicht

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) kritisiert den Referentenentwurf für ein Wachstumschancengesetz scharf. Dieser enthalte unter einem vielversprechenden Titel Regelungen, die die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht "einmal mehr torpedieren". "Aus rein fiskalischen Interessen soll die Anwaltschaft zum Volksverpetzer gemacht werden", empört sich BRAK-Vizepräsidentin Ulrike Paul mit Blick auf die geplante Erweiterung von Meldepflichten auf innerstaatliche Steuergestaltungen.

Die geplanten Änderungen in der Abgabenordnung sähen für die Steuerpflichtigen und ihre Berater statt Steuervereinfachung einen erheblichen Verwaltungsmehraufwand vor und setzten sie außerdem einer weiteren Bußgelddrohung aus. In der geplanten Ausdehnung von Meldepflichten auf innerstaatliche Steuergestaltungen (§§ 138l ff. AO-E) sieht die BRAK eine nicht tragbare Verletzung des Verschwiegenheitsprivilegs rechts- und steuerberatender Berufe.

Es gehöre zu den Aufgaben von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, für ihre Mandantinnen und Mandanten die jeweils aktuelle Rechtslage zu prüfen und dann das legal Mögliche umzusetzen. Dies schließe auch eine Steueroptimierung ein. Anderenfalls setzten sich Anwältinnen und Anwälte einer Haftungsgefahr aus.

Sie müssten durch die Einführung der Meldepflicht das melden, was ihr ureigener Tätigkeitsbereich sei, und würden auch damit gegen ihre gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung verstoßen. "Es geht hier um nicht weniger, als einen gesetzlichen Straftatbestand (§ 203 StGB) für die Interessen der Finanzverwaltung außer Kraft zu setzen", so Paul.

Wachstumschancen nur für Beratungsmarkt außerhalb der EU

Als besonders prekär wertet die BRAK, dass außerhalb der EU ansässige Berater von der Regelung nicht erfasst wären. Wachstumschancen ergäben sich hieraus ausschließlich im Sinne von Zuwachs im Beratungsmarkt außerhalb der EU, so Paul.

Problematisch sei auch die Ungewissheit darüber, wann überhaupt was zu melden sei. Der Entwurf sei von großer Unschärfe geprägt. "Es liegt der Verdacht nahe, dass ein Klima des vorauseilenden Gehorsams verbreitet werden soll. Ganz nach dem Motto: Wenn unklar ist, ab wann ich etwas melden soll, melde ich lieber mal", so Paul.

Scharfe Kritik auch an Regelungen zur elektronischen Rechnung

Ebenso scharf kritisiert die BRAK die vorgesehenen Regelungen zur elektronischen Rechnung, die auch die Anwaltschaft beträfen. Zwingender Bestandteil einer Rechnung seien unter anderem die Angabe des Leistungsempfängers (Mandant/in) sowie Angaben zur Leistung selbst. Beide Angaben unterfielen der gesetzlichen, strafbewehrten Verschwiegenheitsverpflichtung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.

Soweit mit den beabsichtigten Regelungen ein unmittelbarer Zugriff der Finanzbehörden auf die Rechnungen ermöglicht werden solle, müsse zwingend gewährleistet werden, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte durch die Erfüllung der Übermittlungspflicht nicht gegen ihre berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht verstoßen.

Geplante Förderungen von Klimaschutz-Investitionen nicht investitionsfördernd

Die BRAK moniert auch die geplanten Förderungen von Klimaschutz-Investitionen. Die in Art. 1 genannten Förderungen setzten ein erhebliches Investment des Steuerpflichtigen voraus. Nur unter erheblichem Kapitaleinsatz könne er gegebenenfalls eine Förderung von 15% der Bemessungsgrundlage erhalten. Hinsichtlich der Grenze für ein geringwertiges Wirtschaftsgut eine Anpassung von 800 auf 1.000 Euro festzulegen, dürfte ebenfalls keinen Investitionsschub bedingen, so die BRAK.

Redaktion beck-aktuell, 26. Juli 2023.