Vorwurf: Profit über die Aufrichtigkeit gestellt
Die US-Justizbehörden beschuldigen Boeing nun unter anderem, die Regierung mit irreführenden Angaben dabei behindert zu haben, die Sicherheit im öffentlichen Flugverkehr zu gewährleisten. "Die tragischen Abstürze des Lion-Air-Flugs 610 und des Ethiopian-Air-Flugs 302 brachten betrügerisches und irreführendes Verhalten von Mitarbeitern eines der weltweit führenden Flugzeughersteller zum Vorschein", erklärte David P. Burns von der strafrechtlichen Abteilung des Justizministeriums. Boeings Angestellte hätten den Profit über die Aufrichtigkeit gestellt und der US-Luftfahrtaufsicht FAA Informationen vorenthalten.
Boing macht zwei Ex-Mitarbeiter verantwortlich
Boeing erklärte in einer Stellungnahme, dass es bei den Strafen des Justizministeriums um das Verhalten zweier Ex-Mitarbeiter gehe. Diese hätten ein für das Piloten-Training zuständiges FAA-Gremium absichtlich über Änderungen am MCAS genannten Steuersystem der 737 Max getäuscht. Der nun geschlossene Vergleich zeige, wie wichtig Boeings Verpflichtungen gegenüber den Aufsichtsbehörden seien, schrieb Konzernchef Dave Calhoun in einem Memo an die Belegschaft.
Defekte Steuerungssoftware Ursache der Abstürze
Sowohl Boeing als auch die FAA waren im Zuge der Unglücke vom Oktober 2018 und März 2019 heftig in die Kritik geraten. Als Unfallursache gilt das MCAS-Programm, eine defekte Steuerungssoftware, die eigentlich rasch hatte repariert werden sollen. Stattdessen dauerte es über anderthalb Jahre, bis die FAA den wegen der Abstürze mit Startverboten belegten Unglücksflieger im November 2020 wieder zuließ.
Spannungen zwischen Boing und Flugaufsicht
Boeings Verhältnis zur FAA verschlechterte sich während der Aufarbeitung der Abstürze drastisch. Die Spannungen gelten als ein Grund, dass Ex-Konzernchef Dennis Muilenburg Ende 2019 seinen Hut nehmen musste. Heikle Interna von Boeing-Mitarbeitern hatten sowohl das Unternehmen als auch die Flugaufsicht schwer belastet. In den brisanten Chats hieß es zur 737 Max etwa: "Dieses Flugzeug ist von Clowns entworfen, die wiederum von Affen beaufsichtigt werden."
Anleger reagieren gelassen
Die hohe Strafe dürfte den aufgrund des 737-Max-Skandals und der Corona-Krise stark angeschlagenen Boeing-Konzern zwar schmerzen. Doch verglichen mit den immensen Kosten, die das Debakel um den wichtigsten Flugzeugtyp des Airbus-Rivalen bereits verursacht hat, ist die Summe überschaubar. Anleger reagierten gelassen, Boeings Aktien notierten vorbörslich nur leicht im Minus. Durch den Vergleich entgeht der stark von Staatsaufträgen abhängige Konzern rechtlichen Konsequenzen, die ihn für solche hätten disqualifizieren können.
Boeing finanziell angeschlagen
Die 737-Max-Krise hat Boeing finanziell bereits erheblich unter Druck gebracht. Zahlreiche Aufträge wurden storniert, Boeing entstanden etliche Milliarden an Sonderkosten. In den drei Monaten bis Ende September 2020 fiel der vierte Quartalsverlust in Folge an. Der Konzern reagiert auf die klamme Finanzlage mit drastischen Sparmaßnahmen und will seine Mitarbeiterzahl bis Ende 2021 auf rund 130.000 senken. Zum Vergleich: Anfang 2020 hatte Boeing noch etwa 160.000 Beschäftigte.
Auch Untersuchungsausschuss erhob schwere Vorwürfe
Vor der Bestrafung durch das Justizministerium hatte bereits ein Untersuchungsausschuss des US-Kongresses heftige Kritik an Boeing geäußert. "Die Max-Abstürze waren nicht das Ergebnis eines einzelnen Versagens, technischer Fehler oder schlecht gehandhabter Ereignisse", hieß es im Abschlussbericht. "Sie waren der schreckliche Höhepunkt einer Reihe falscher technischer Annahmen von Boeing-Ingenieuren, mangelnder Transparenz aufseiten des Managements und einer grob unzureichenden Aufsicht durch die FAA." Boeing war zudem auch in dem Bericht schon eine "Kultur des Verheimlichens" vorgeworfen worden.
Etliche Klagen wegen der Abstürze laufen noch
Der Großteil der Strafzahlungen soll mit 1,77 Milliarden Dollar Fluggesellschaften zufließen, die als Kunden von Boeing geschädigt wurden. 500 Millionen Dollar gehen dem Justizministerium zufolge an einen Entschädigungsfonds für Angehörige von Absturzopfern. Hinzu kommen 234,6 Millionen Dollar, die dem Unternehmen von den Justizbehörden als zusätzliche Strafe auferlegt wurden. Ob Boeing damit aus dem Schneider ist, bleibt abzuwarten. Es laufen noch etliche Klagen wegen der 737-Max-Abstürze gegen den Konzern. Auch die FAA könnte noch zusätzliche Bußgelder verhängen.