Wett­be­werbs­ver­zer­rung durch 50+1-Regel der DFL nicht aus­ge­schlos­sen

Das Bun­des­kar­tell­amt (BKar­tA) hat der Deut­schen Fuß­ball Liga (DFL) ges­tern seine vor­läu­fi­ge kar­tell­recht­li­che Ein­schät­zung zur so­ge­nann­ten 50+1-Regel mit­ge­teilt. Nach Auf­fas­sung des Amtes kann die Grund­re­gel auf­grund der damit ver­folg­ten sport­po­li­ti­schen Ziele kar­tell­recht­lich un­be­denk­lich sein. Für pro­ble­ma­tisch hält es aber, dass die ein­heit­li­che An­wen­dung und Durch­set­zung der Regel in ihrer jet­zi­gen Fas­sung nicht si­cher­ge­stellt ist.

Fi­nan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten er­öff­nen und In­ves­to­ren­ein­fluss be­gren­zen

Die 50+1-Regel wurde 1999 ein­ge­führt, um ei­ner­seits den Ver­ei­nen der Bun­des­li­ga und der 2. Bun­des­li­ga neue Fi­nan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten zu er­öff­nen, aber an­de­rer­seits den Ein­fluss von In­ves­to­ren zu be­gren­zen und den ver­eins­ge­präg­ten Cha­rak­ter zu er­hal­ten. Die in der Sat­zung der DFL fest­ge­leg­te Regel be­sagt, dass bei einer Aus­glie­de­rung der Profi-Fuß­ball­ab­tei­lung in eine Ka­pi­tal­ge­sell­schaft, der Mut­ter­ver­ein grund­sätz­lich die Stimm­rechts­mehr­heit an die­ser Ge­sell­schaft hal­ten muss (Grund­re­gel). Das Prä­si­di­um der DFL kann von die­ser Grund­re­gel unter an­de­rem dann eine Aus­nah­me be­wil­li­gen, wenn ein In­ves­tor den Fuß­ball­sport des Mut­ter­ver­eins seit mehr als 20 Jah­ren un­un­ter­bro­chen und er­heb­lich ge­för­dert hat (För­der­aus­nah­me).

 

50+1-Grund­re­gel le­gi­ti­me Wett­be­werbs­be­schrän­kung

Das Bun­des­kar­tell­amt geht davon aus, dass die 50+1-Grund­re­gel von den kar­tell­recht­li­chen Ver­bots­tat­be­stän­den aus­ge­nom­men sein kann. Zwar stel­le die Regel eine Wett­be­werbs­be­schrän­kung dar, indem sie be­stimm­te Be­din­gun­gen für die Teil­nah­me an der Bun­des­li­ga und der 2. Bun­des­li­ga auf­stellt. Mit die­ser Be­schrän­kung ver­fol­ge die DFL al­ler­dings le­gi­ti­me Ziele, näm­lich die Or­ga­ni­sa­ti­on eines ver­eins­ge­präg­ten Wett­be­werbs si­cher­zu­stel­len und für die Aus­ge­gli­chen­heit des sport­li­chen Wett­be­werbs zu sor­gen. Das Kar­tell­recht stehe An­for­de­run­gen von Sport­ver­bän­den an die Teil­neh­mer eines Wett­be­wer­bes nicht ent­ge­gen, wenn diese der Ver­fol­gung be­stimm­ter wett­kampf­be­zo­ge­ner, aber auch ethisch-so­zia­ler Ziele die­nen. Die von der DFL an­ge­führ­te Ver­ein­s­prä­gung kann laut BKar­tA ein sol­ches Ziel dar­stel­len. Sie er­öff­ne brei­ten Be­völ­ke­rungs­schich­ten die Mög­lich­keit, durch die Mit­glied­schaft in einem Ver­ein des­sen Ge­schi­cke mit­zu­be­stim­men und somit am Bun­des­li­ga­ge­sche­hen auch über die Stel­lung als Kon­su­ment hin­aus teil­zu­ha­ben.

Regel soll für aus­ge­gli­che­nen Wett­be­werb sor­gen

Die DFL will nach Ein­schät­zung des Kar­tell­am­tes mit der 50+1-Regel auch einen Bei­trag zur Aus­ge­gli­chen­heit des sport­li­chen Wett­be­werbs in den Bun­des­li­gen leis­ten. Dies sei ein kar­tell­recht­lich an­er­ken­nens­wer­tes Ziel, für das die 50+1-Regel grund­sätz­lich ge­eig­net er­scheint. In ihrer Grund­form ver­hin­de­re die Regel, dass Ver­ei­ne durch die Ab­ga­be der Kon­trol­le über ihre Li­zenz­spie­lerab­tei­lung an In­ves­to­ren grö­ße­re Mit­tel für den Ein­satz im sport­li­chen Wett­be­werb ein­wer­ben kön­nen als Ver­ei­ne, die in­so­fern an der Ge­stal­tungs­macht ihrer Mit­glie­der fest­hal­ten.

Be­den­ken bei Ein­be­zie­hung der För­der­aus­nah­me

In der Ge­samt­schau hat das Bun­des­kar­tell­amt aber Be­den­ken ge­gen­über der der­zei­ti­gen Fas­sung von Grund­re­gel in Kom­bi­na­ti­on mit der För­der­aus­nah­me an­ge­zeigt. Denn be­zie­he man die För­der­aus­nah­me in ihrer der­zei­ti­gen Fas­sung in die Be­trach­tung mit ein, so stel­le sich die Wett­be­werbs­be­schrän­kung als un­ver­hält­nis­mä­ßig dar, so das BKar­tA. Es be­stün­den dann Zwei­fel an der Eig­nung zur Ver­fol­gung der mit der 50+1-Grund­re­gel ver­folg­ten Ziel­set­zung. Denn durch die Ge­wäh­rung der För­der­aus­nah­me werde in den be­trof­fe­nen Klubs der be­herr­schen­de Ein­fluss des Mut­ter­ver­eins aus­ge­schal­tet und damit das sport­li­che Ge­sche­hen in­so­weit von der Ver­ein­s­prä­gung ab­ge­kop­pelt. Es be­stehe daher die Ge­fahr, dass prä­gen­de Cha­rak­te­ris­ti­ka wie Mit­glie­der­par­ti­zi­pa­ti­on im Ver­ein und Trans­pa­renz ge­gen­über den Mit­glie­dern ver­lo­ren gin­gen. Ver­eins­ge­präg­ter Fuß­ball und Aus­ge­gli­chen­heit des Wett­be­werbs, wie es sich die DFL mit der Re­ge­lung zum Ziel ge­setzt habe, seien dann so nicht mehr ein­heit­lich ge­gen­über sämt­li­chen Klubs ge­si­chert, so die vor­läu­fi­ge Ein­schät­zung des Bun­des­kar­tell­am­tes.

Nach­tei­le und Wett­be­werbs­ver­zer­rung nicht aus­ge­schlos­sen

Dies hat laut BKar­tA auch einen Wett­be­werbs­nach­teil für die von der Aus­nah­me nicht pro­fi­tie­ren­den Klubs zur Folge. Ver­eins­ge­präg­te und In­ves­to­ren-fi­nan­zier­te Klubs trä­ten ne­ben­ein­an­der an. Hier­durch ent­stün­den Zwei­fel an der Eig­nung der Ge­samt­re­ge­lung zur Or­ga­ni­sa­ti­on eines sport­lich fai­ren, ver­eins­ge­präg­ten Wett­be­werbs. Wenn ei­ni­gen Klubs grö­ße­re Mög­lich­kei­ten zur Ein­wer­bung von Ei­gen­ka­pi­tal zur Ver­fü­gung ste­hen als an­de­ren, dürf­te dies nicht zur Aus­ge­gli­chen­heit des sport­li­chen Wett­be­werbs bei­tra­gen, son­dern ihn eher ver­zer­ren, meint das Kar­tell­amt.

DFL hat Mög­lich­keit zu Stel­lung­nah­me

Die Be­wer­tung der 50+1-Regel durch das Bun­des­kar­tell­amt geht zu­rück auf eine ent­spre­chen­de In­itia­ti­ve der DFL. Die von der DFL be­an­trag­te Ent­schei­dung, dass für das BKar­tA in die­ser Sache kein An­lass zum Tä­tig­wer­den be­steht (§32c GWB), kann laut BKar­tA der­zeit nicht er­ge­hen. Die DFL habe nun Ge­le­gen­heit, zur vor­läu­fi­gen Ein­schät­zung des Bun­des­kar­tell­am­tes Stel­lung zu neh­men. Auch die bei­ge­la­de­nen Klubs und In­ves­to­ren könn­ten sich äu­ßern.

Profi-Fuß­ball­ab­tei­lun­gen meist in Ka­pi­tal­ge­sell­schaft aus­ge­glie­dert

Die 50+1-Regel wurde 1999 in Ver­bin­dung mit der Mög­lich­keit, die Profi-Fuß­ball­mann­schaft in eine Ka­pi­tal­ge­sell­schaft aus­zu­glie­dern, in die Sat­zung des Deut­schen Fuß­ball Bunds (in Bezug auf die Bun­des­li­ga und 2. Bun­des­li­ga als Vor­gän­ger der heu­ti­gen DFL) auf­ge­nom­men. Bis dahin konn­ten aus­schlie­ß­lich Ver­eins­mann­schaf­ten an der Bun­des­li­ga und 2. Bun­des­li­ga teil­neh­men. Von den der­zei­ti­gen 18 Bun­des­li­ga-Klubs hat die Mehr­heit die Profi-Fuß­ball­ab­tei­lung in eine Ka­pi­tal­ge­sell­schaft aus­ge­glie­dert, auf die der Ver­ein wei­ter­hin be­stim­men­den Ein­fluss aus­übt. Le­dig­lich vier Klubs sind wei­ter­hin ein­schlie­ß­lich ihrer Profi-Fuß­ball­ab­tei­lun­gen als ein­ge­tra­ge­ner Ver­ein or­ga­ni­siert (Mainz 05, Schal­ke 04, SC Frei­burg, Union Ber­lin). Drei Klubs haben eine För­der­aus­nah­me er­hal­ten (Bayer Le­ver­ku­sen, TSG Hof­fen­heim, VfL Wolfs­burg).

Redaktion beck-aktuell, 1. Juni 2021.

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