Zusammenfassung von Verstößen im Ordnungsmittelrecht

Verstößt ein Vollstreckungsschuldner innerhalb von Sekunden wiederholt gegen ein tituliertes Verbot, können diese Zuwiderhandlungen dem Bundesgerichtshof zufolge als ein einziger Verstoß geahndet werden. Eine solche natürliche Handlungseinheit bestehe aber nur für Verstöße gegen ein und denselben Verbotsausspruch. 

Verstöße gegen zwei Punkte im Unterlassungstitel

Eine Vermittlerin ausländischer Studienplätze für Medizin wurde von einer Konkurrentin abgemahnt, weil sie Interessenten versprach, dass alle im Ausland erworbenen Scheine anschließend in Deutschland anerkannt würden und zum anderen, dass nach vier Auslandssemestern das Physikum nicht mehr geschrieben werden müsse. Obwohl sie zur Unterlassung beider Behauptungen verurteilt wurde, versendete sie im Januar 2018 erneut eine E-Mail mit den beanstandeten Werbeaussagen, wofür sie im August 2018 zwei Ordnungsgelder zahlen musste. Im Mai 2018 erhielt die Vermittlerin den Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin, änderte die beanstandeten Texte daraufhin aber nur marginal. Die Konkurrentin beantragte im September 2018 wegen weiterer E-Mails im April und Juni 2018 (zwei Mails im Abstand von 19 Sekunden) erneut Ordnungsgelder. Das Landgericht wies den Antrag zurück, das Oberlandesgericht Stuttgart verhängte Ordnungsgelder wegen zwei Verstößen gegen den Unterlassungstitel. Beide Wettbewerberinnen erhoben Rechtsbeschwerden zum BGH – beide ohne Erfolg.

Natürliche Handlungseinheit im Zwangsvollstreckungsrecht

Die beiden E-Mails im Juni 2018, die innerhalb von 20 Sekunden an zwei Interessenten versendet worden waren, können dem BGH zufolge grundsätzlich als ein Verstoß geahndet werden. Diese wiederholten Verstöße könnten zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden, weil sie wegen ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden seien, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erschienen. Liegen aber mehrere Monate zwischen den Verstößen, wie von April bis Juni 2018, und ist noch dazu ein Ordnungsmittelantrag der Gegnerin im Mai eingegangen, sei von einem erneuten Tatentschluss zur Zuwiderhandlung im Juni auszugehen, so der BGH.

Keine Handlungseinheit bei Verstößen gegen verschiedene Verpflichtungen

Die E-Mail vom April 2018 verstieß gegen jeweils zwei verschiedene Verbotsaussprüche des Unterlassungsurteils, weil zwei unterschiedliche Textstellen beanstandet worden waren. Zu einer natürlichen Handlungseinheit können laut I. Zivilsenat aber nur solche Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die gegen dasselbe gerichtliche Verbot verstießen. Das sei hier nicht der Fall. Insgesamt habe es daher drei Verstöße gegeben. Im Ergebnis war der Fehler ohne Belang, so die Karlsruher Richter, da zwischenzeitlich Verfolgungsverjährung gemäß Art. 9 Abs. 1 EGBGB eingetreten war. Die Verjährung werde durch den Antrag bei Gericht nicht beeinflusst.

BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - I ZB 99/19

Redaktion beck-aktuell, 16. Februar 2021.