Zusätzlicher Betreuer nur bei Verbesserung der Lage

Eine Bestellung mehrerer Betreuer kommt auch auf Wunsch des Betroffenen nur dann in Betracht, wenn die Angelegenheiten des Betreuten dadurch besser besorgt werden können. Sind Spannungen und Differenzen unter diesen zu erwarten, ist dem Bundesgerichtshof zufolge von einer Mehrfachbetreuung zum Wohle des Betreuten abzusehen.

Spannungen zwischen Betreuern 

Das AG Limburg (Lahn) hatte für eine an Demenz erkrankte 82-jährigen Frau deren jüngere Tochter zur Betreuerin bestellt. Damit war die Seniorin jedoch nicht einverstanden. Vielmehr wünschte sie ihren Enkel, den Sohn ihrer älteren Tochter, als weiteren Betreuer. Am 01.11.2021 hatte sie diesem – bereits im Zustand der Geschäftsunfähigkeit – eine Vorsorgevollmacht erteilt. Das dortige Landgericht wies die Beschwerde zurück. Aufgrund der verwandtschaftlichen Bindung sei anzunehmen, dass die Bestellung der Tochter dem Wohl und Willen der Betroffenen entspreche. Diese habe im Anhörungstermin selbst erklärt, sich mit der Tochter gut zu verstehen. Zudem bestünden keine Anhaltspunkte, dass ihre Angelegenheiten durch die zusätzliche Bestellung besser besorgt werden könnten. Vielmehr seien Spannungen und Differenzen unter den beiden Betreuern zu erwarten: Die jüngere Tochter hatte die Vermutung geäußert, der Enkel könne eine Vollmacht missbräuchlich nutzen. Auch die Rechtsbeschwerde der Betreuten beim BGH misslang.

Wohl der Betroffenen entscheidet

Der XII. Zivilsenat stimmte der Auffassung des LG zu. Ob die Betroffene in der von ihr unterschriebenen Vorsorgevollmacht einen wirksamen Betreuungswunsch geäußert habe, könne dahinstehen. Die Vorinstanz habe jedenfalls davon ausgehen dürfen, dass der vor dem Betreuungsverfahren am 01.11.2021 zugunsten einer Alleinbetreuung durch den Enkel erklärte Betreuungswunsch nicht mehr aktuell war (§ 1897 Abs. 4 Satz 3 BGB). Denn die Demenzkranke habe im Beschwerdeverfahren den neuen Wunsch geäußert, nunmehr durch die jüngere Tochter und ihren Enkel gemeinsam betreut werden zu wollen. Die Vorinstanz habe die Voraussetzungen einer Mehrfachbetreuung nach § 1899 Abs. 1 Satz 1 BGB zu Recht verneint. Angesichts der bereits in den Schriftsätzen offen zutage getretenen Spannungen und wechselseitigen Vorhaltungen der Geschwisterstämme untereinander erscheint dem Karlsruher Familiensenat ein gedeihliches Zusammenwirken der beiden zum Wohle der Betroffenen nicht erreichbar. Insofern habe das LG fehlerfrei von einer zusätzlichen oder ersatzweisen Bestellung des Enkels abgesehen. Zudem habe die Betroffene zu dem in der Beschwerdeinstanz erstmals vorgebrachten Betreuungswunsch schon deshalb nicht erneut angehört werden müssen, weil die gewünschte Anordnung einer gemeinsamen Betreuung nicht in Betracht gekommen sei und deshalb keine neuen entscheidungserheblichen Erkenntnisse zu erwarten gewesen seien.

BGH, Beschluss vom 07.09.2022 - XII ZB 211/22

Redaktion beck-aktuell, 14. Oktober 2022.