Der Mitbewerber im Wettbewerbsrecht

Der Begriff "Mitbewerber" ist dem Bundesgerichtshof zufolge im Wettbewerbsrecht einheitlich auszulegen. Unabhängig davon, ob primär der Mitbewerber oder der Verbraucher geschützt werden soll, werden grundsätzlich keine verschiedenen Anforderungen an den Begriff gestellt. Eine Inkassodienstleisterin, die sich Ansprüche aus Lebensversicherungen abtreten lässt, kann somit Mitbewerberin einer Versicherungsgesellschaft sein.

Pfiffiges Geschäftsmodell

Eine Inkassodienstleisterin hatte sich auf gewerbliche Ankäufe von Forderungen und Rechten aus Versicherungsverträgen spezialisiert. Sie hatte auch Verträge von Kunden der Klägerin, die Kapitallebensversicherungsverträge anbietet, regelmäßig gekauft und danach gekündigt. Finanzmaklern, die ihr Kunden brachten, zahlte sie 1% der Rückkaufsumme als Provision. Das nahm die Versicherungsgesellschaft zum Anlass, Unterlassung sowie Auskunft über alle abgeschlossenen Verträge zu verlangen. Sowohl das Landgericht Nürnberg-Fürth als auch das Oberlandesgericht Nürnberg haben die Klage abgewiesen. Die Weiterverfolgung ihrer Ansprüche vor dem Bundesgerichtshof war jedoch vorerst erfolgreich.  

Versicherungsgesellschaft ist aktivlegitimiert

Der Ansicht des Oberlandesgerichts, der Begriff "Mitbewerber" sei je nach Schutzzweck der Norm zu definieren, erteilte der BGH eine klare Absage: Grundsätzlich seien alle, die gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und dadurch das Wettbewerbsverhalten des jeweils anderen beeinträchtigen, Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Die Vorschrift unterscheide nicht danach, ob die konkrete Maßnahme nur mitbewerberschützend oder auch verbraucherschützend sei. Konkurrenten dürfen dem I. Zivilsenat zufolge nicht bezüglich der mitbewerberschützenden Tatbestände aktiv klagen, vielmehr sind sie nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG umfassend zur Verfolgung von Abwehr- und Folgeansprüchen aktivlegitimiert. Eine Ausnahme sei nur gegeben, soweit eine richtlinienkonforme Auslegung (Richtlinie 2005/29/EG) dies erfordere, also etwa bei § 6 Abs. 1 und 2 Nr. 3-5 UWG sowie möglicherweise auch bei § 5 Abs. 2 UWG (vergleichende und irreführende Werbung). Die Karlsruher Richter hoben deshalb das Urteil auf und verwiesen es an das Berufungsgericht zurück, um weitere mögliche Unlauterkeitsgründe zu prüfen.

Kunden abjagen ist nicht unlauter

Das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Abfangen von Kunden gehören laut I. Zivilsenat grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs. Eine unlautere Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG liege erst dann vor, wenn auf Klienten, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt werde, um sie als eigene Kunden zu gewinnen. Das sei erst dann der Fall, wenn gezielt und bewusst darauf hingewirkt werde, dass ein anderer eine ihm obliegende Vertragspflicht verletze, so der BGH. Das bloße Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs sei ohne weitere die Unlauterkeit begründende Umstände nicht zu beanstanden. Hier liege nur eine Vertragsverletzung der Finanzmakler gegenüber den Versicherungsnehmern vor. Diese Verletzung habe die Inkassodienstleisterin zwar ausgenutzt, aber nicht verursacht.

BGH, Urteil vom 05.11.2020 - I ZR 234/19

Redaktion beck-aktuell, 17. Dezember 2020.