Mietkündigung zum Betrieb einer Wohnzimmerkanzlei kann zulässig sein

Will man in seine vermietete Drei-Zimmer-Eigentumswohnung einziehen und dort auch seine Kanzlei betreiben, kann dies ein berechtigtes Interesse für die Kündigung der Mieter darstellen. Entstehe dem Anwalt ansonsten ein "beachtenswerter Nachteil", reiche das aus, so der BGH.

Der Rechtsanwalt hatte 2018 eine Eigentumswohnung – bestehend aus drei Zimmern – erworben und kündigte seinen Mietern ordentlich. Er wollte die Räumlichkeiten künftig überwiegend für seine berufliche Tätigkeit als Anwalt mit einer Teilzeitkraft sowie eventuell mit Berufskollegen nutzen, dort aber auch wohnen, da seine bisherige Kanzleimiete endete. Auf seinen Antrag erteilte ihm das Bezirksamt Charlottenburg eine Zweckentfremdungsgenehmigung für die beabsichtigte teilgewerbliche Nutzung der Wohnung. Seine Räumungsklage scheiterte in den Vorinstanzen: Das LG verneinte einen "gewichtigen" Nachteil des Vermieters, der die Wohnung nach Umwandlung in Wohneigentum erworben hatte. Dabei wertete es den Sachverhalt anhand des § 577a BGB (Kündigungsbeschränkung bei Wohnraumumwandlung), der eine zehnjährige Sperrfrist vorsieht, die im Hinblick auf den Zeitpunkt des Erwerbs durch den Vermieter erst zum Jahr 2028 abliefe.

Der für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hob das LG-Urteil auf die Revision des Anwalts auf und verwies die Sache zurück (Urteil vom 10.04.2024 – VIII ZR 286/22). Tatsächlich liege zwar keine Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor, da die Wohnung auch als Kanzlei genutzt werden solle. Allerdings habe der Vermieter grundsätzlich – entgegen der Ansicht des LG – ein berechtigtes Interesse, das Mietverhältnis zu kündigen.

Betriebsbedarf bei Ende von Kanzleimiete

"Für das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 1 S. 1 BGB (wird es) regelmäßig ausreichen, dass (dem Vermieter) bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter beziehungsweise anerkennenswerter Nachteil entstünde", so der BGH. Damit bestätigten die Karlsruher Richterinnen und Richter ihre bisherige Rechtsprechungspraxis. Anders als das LG meine, müsse die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter keinen "gewichtigen Nachteil" bedeuten, selbst wenn er die an den Mieter überlassene Wohnung nach deren Umwandlung in Eigentum erworben und die Kündigung innerhalb der zehnjährigen Kündigungssperrfrist nach § 577a BGB erklärt habe.

Laut BGH dient die Vorschrift des § 577a BGB gerade nicht einem umfassenden Schutz des Mieters vor einer ordentlichen Kündigung nach der Bildung von Wohnungseigentum und anschließender Veräußerung des neu geschaffenen Eigentums. Es handele sich um eine Ausnahmevorschrift, die auch dann nicht (analog) auf andere Kündigungsgründe im Sinne des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB anzuwenden sei, wenn der Vermieter sein berechtigtes Interesse an der Kündigung aus Umständen herleite, die einer Eigenbedarfssituation ähnelten.

Dass dem Anwalt ein "beachtenswerter Nachteil" bei verwehrtem Bezug entsteht, hält der BGH hier für möglich: Ein solcher Nachteil könne vorliegen, weil der Mietvertrag über die bisherigen Wohn- und Kanzleiräume nach dem – vom LG bisher nicht überprüften – Vortrag ende und der Anwalt nach eigenem Bekunden auf die Nutzung seiner Wohnung zum (nächst)möglichen Termin dringend angewiesen sei.

BGH, Urteil vom 10.04.2024 - VIII ZR 286/22

Redaktion beck-aktuell, ns, 8. Mai 2024.