Zulässige Bildberichterstattung über Aufnäher an Polizeiuniform

Das Foto eines Bundesbeamten, der beim Einsatz auf einer Gegenveranstaltung zu einem Neonazifestival umstrittene Aufnäher an seiner Uniform trug, darf ohne seine Einwilligung veröffentlicht werden. Entscheidend ist dabei die öffentliche Rolle des Betroffenen, so der Bundesgerichtshof. Gerade in der Debatte um rechtsradikale Sicherheitsorgane müsse dieser bei aufkommenden Zweifeln an seiner Neutralität kritikfähiger sein als Privatpersonen.

Fragwürdige Abzeichen auf der Uniform

Ein Beamter der Bundespolizei verklagte den Fernsehnachrichtensender ntv auf Unterlassung einer Bildberichterstattung. Er hatte die  Landespolizei Sachsen bei der Veranstaltung "Rechts rockt nicht" am 22.06.2019 in Ostritz unterstützt. Die Veranstaltung richtete sich gegen ein gleichzeitig dort stattfindendes "Schild- und Schwertfestival" von Neonazis. Am 24.06.2019 veröffentlichte der Sender auf seiner Internetseite in der Rubrik Politik einen Artikel mit folgendem Wortlaut: "(...) Viele Polizisten sympathisieren mit AfD. (...) Während eines Einsatzes bei einem Rechtsrockfestival fällt ein Bundespolizist mit fragwürdigen Abzeichen auf seiner Uniform auf." Unter der Meldung befand sich eine Kurznachricht aus dem Internetportal Twitter mit einem unverpixelten Foto des Klägers in voller Montur sowie zwei Aufnähern unterhalb der Brust. Der eine zeigte ein Schild mit Schwert und Flügeln und einer lateinischen Inschrift (übersetzt: "Tue Recht und scheue niemand"). Die zweite Verzierung bildete einen Spartanerhelm, ein griechisches Omegon mit gekreuzten Schwertern und eine griechische Unterschrift ("Komm und hol sie dir") ab. Auch unter der Rubrik Regionalnachrichten/Sachsen wurde über die umstrittenen Symbole berichtet. Unter diesem Artikel fand sich zudem ein Link "Tweet zu Ostritz", der zu dem Tweet der Initiative "Rechts rockt nicht!" mit dem Foto des Ordnungshüters führte.

OLG: Allein der äußere Anschein ist entscheidend

Während das LG Dessau-Roßlau den TV-Sender antragsgemäß verurteilte, verneinte das OLG Naumburg einen Anspruch des Polizisten auf Unterlassung der Veröffentlichung, Verbreitung oder Verlinkung seines Bildnisses im Kontext der Berichterstattungen der Beklagten vom 24.06.2019 nach §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG. Wenn der Kläger im Einsatz Aufnäher trage, die Schwert und Schild darstellten, liege für den unbefangenen Betrachter die Vermutung nahe, dass er damit seine Sympathie für eine "Schild und Schwert" genannte Veranstaltung zum Ausdruck bringe. Dass er als Bundespolizist beim Einsatz auf einer Gegenveranstaltung zu einem Neonazifestival im Fokus der Öffentlichkeit stehe, sei vorhersehbar. Auch die Revision beim BGH hatte keinen Erfolg.

Zweifel an Haltung des Polizeibeamten

Der VI. Zivilsenat stimmte dem OLG zu. Der Berichterstattung komme erheblicher Informationswert zu. Treten bei einem dienstlichen Einsatz wie hier aufgrund an der Uniform getragener Symbole Zweifel an der Haltung von Polizeibeamten - die durch Neutralität, Distanz und Objektivität geprägt ist - auf, liegt dem BGH zufolge eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung dieser Symbole und der dadurch möglicherweise zum Ausdruck kommenden Haltung im gesellschaftlichen Interesse. Die schutzwürdigen Interessen des Klägers müssten dann zurücktreten. Hier handele es sich im Ergebnis der Abwägung um ein Bildnis der Zeitgeschichte nach § 23 KUG. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er in einer Situation, in der mit einer intensiven Beobachtung durch die Presse und Dritte zu rechnen war, gewollt Aufmerksamkeit erregte. Er hinterlasse den Eindruck, eine Botschaft, eine private Meinung, kundtun zu wollen. Dadurch habe er den Anlass für die Fragen der Initiative "Rechts rockt nicht!" an die Polizei nach der Bedeutung seiner Aufnäher und seiner Gesinnung über das soziale Netzwerk Twitter selbst geschaffen.

BGH, Urteil vom 08.11.2022 - VI ZR 1319/20

Redaktion beck-aktuell, 6. Dezember 2022.