Von Juni 2014 an mussten Geschäftsbanken im Euroraum Zinsen zahlen, wenn sie Gelder bei der EZB parkten. Auf dem Höhepunkt der Negativzinsphase waren es 0,5%. Etliche Geldhäuser gaben die Kosten dafür an ihre Kundschaft weiter und verlangten Verwahrentgelte. Sparerinnen und Sparer fühlten sich enteignet - auch wenn die Zinsabzüge auf dem Konto in der Regel erst ab einem bestimmten Freibetrag fällig wurden. Im Juli 2022 schaffte die EZB die Negativzinsen ab, in der Folge lockerten auch Banken und Sparkassen die Gebührenschraube wieder.
Der für Bankenrecht zuständige 11. Zivilsenat des BGH entschied konkret zu Klagen der Verbraucherzentrale Sachsen, der Verbraucherzentrale Hamburg, sowie des Verbraucherzentrale-Bundesverbands (vzbv). Sie waren gegen drei Banken und eine Sparkasse vor Gericht gezogen, die von Verbrauchern Entgelte für die Verwahrung von Einlagen auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten erhoben hatten (Urteile vom 04.02.2025 - XI ZR 61/23, XI ZR 65/23 und XI ZR 161/23).
Wie der BGH jetzt entschieden hat, dürfen Banken und Sparkassen die Verwahrentgelte nicht für Einlagen auf Spar- und Tagesgeldkonten erheben. Bei Girokonten sind die Strafzinsen hingegen grundsätzlich zulässig - aber nur, wenn die entsprechenden Vertragsklauseln für Verbraucher transparent sind.
Zweck von Spareinlagen wird unterlaufen
Die Klauseln über Verwahrentgelte für Einlagen auf Tagesgeldkonten (XI ZR 161/23) und für Spareinlagen (XI ZR 183/23) hat der BGH der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterworfen. Denn sie veränderten die von der Bank geschuldete Hauptleistung abweichend von der nach Treu und Glauben geschuldeten Leistung. Der Inhaltskontrolle hielten die Klauseln nicht stand, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen und die Verbraucher unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Tagesgeldkonten verlören mit der Erhebung eines Verwahrentgelts von 0,5% gänzlich ihren Spar- und Anlagezweck. Denn bei einer gleichzeitigen Verzinsung der Einlage mit 0,001% p.a. reduziere sich das auf den Tagesgeldkonten eingelegte Kapital jenseits des Freibetrages statt anzuwachsen.
Gleiches gelte bei Spareinlagen. Der Charakter des Sparvertrags,der darin bestehe, mittel- bis langfristig Vermögen aufzubauen, werde durch die Erhebung eines Verwahr- oder eines Guthabenentgelts entgegen den Geboten von Treu und Glauben verändert. Das sei mit dem den Sparvertrag kennzeichnenden Kapitalerhalt nicht zu vereinbaren.
Zwar hätten Kreditinstitute im Euroraum von Mitte 2014 bis Mitte 2022 auf bestimmte Einlagen, die sie bei ihrer nationalen Zentralbank unterhielten, "negative Zinsen" zahlen müssen. Das rechtfertigt es für den BGH aber nicht, die vertraglich berechtigten Erwartungen von Verbrauchern, ihre auf Tagesgeld- und auf Sparkonten verbuchten Einlagen mindestens zu erhalten, zu enttäuschen.
Verwahrung von Guthaben ist auf Girokonten eine Hauptleistung
Anders sei das bei Giroverträgen. Hier werde mit dem Verwahrentgelt eine Hauptleistung aus dem Girovertrag bepreist. Damit unterlägen die in den Giroverträgen vereinbarten Klauseln über Verwahrentgelte keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.
Allerdings verstoßen die hier geprüften Klauseln laut BGH gegen das sich gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB auch auf das Hauptleistungsversprechen erstreckende Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und seien damit gegenüber Verbrauchern letztendlich doch auch unwirksam.
Sie seien hinsichtlich der Höhe des Verwahrentgelts nicht bestimmt genug, sodass Verbraucher ihre mit den Klauseln verbundenen wirtschaftlichen Belastungen nicht hinreichend erkennen können. Die Klauseln informieren laut BGH nicht hinreichend genau darüber, auf welches Guthaben sich das Verwahrentgelt bezieht. Die auf Girokonten bestehenden Guthaben könnten sich infolge der Verbuchung von Gutschriften und Belastungen innerhalb eines Tages mehrfach ändern. Welcher konkrete Guthabenstand auf den Girokonten für die Berechnung des Verwahrentgelts jeweils maßgebend sein soll, bleibe offen.
Betroffene müssen selber aktiv werden
"Betroffene Bankkunden müssen jetzt aktiv werden", sagt Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen. Eine automatische Rückzahlung an betroffene Verbraucher habe der BGH abgelehnt. "Das heißt, wer Negativzinsen gezahlt hat in der Vergangenheit, der sollte sich schnellstmöglich rechtliche Beratung suchen und bei seiner Bank die Beträge zurückfordern." Beratung gebe es bei den Verbraucherzentralen, aber auch bei spezialisierten Anwälten.
"Die Standardverjährung in Deutschland beträgt drei Jahre", erklärt Hummel. "Ansprüche, die im Jahr 2022 entstanden sind, die sind bis zum Ende des Jahres 2025 noch nicht verjährt." Aber auch ältere Ansprüche könnten noch geltend gemacht werden, wenn verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen wurden. "Wenn sie mit der Bank gestritten haben über diesen Zins, wenn es ein Gerichtsverfahren oder Ähnliches gab, dann können Kunden noch deutlich ältere Forderungen geltend machen", so Hummel.
Weiter hat der BGH entschieden, dass auch die Klauseln zu einem Entgelt für die Ausstellung einer Ersatz-BankCard bzw. einer Ersatz-PIN unwirksam sind, da sie gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen (Az.: XI ZR 161/23). Der Verbraucher könne nicht hinreichend erkennen, in welchen Fällen das Kreditinstitut zur Ausstellung einer Ersatzkarte bzw. einer Ersatz-PIN verpflichtet ist, und damit nicht, ob er das Entgelt tatsächlich zahlen muss.