Der BGH hat entschieden, dass Nachforderungen von Zinsen aus Prämiensparverträgen frühestens im Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrags verjähren. Außerdem gilt: Bei Verträgen mit einer Laufzeit von 99 Jahren darf die Sparkasse während der Laufzeit nicht ordentlich kündigen. Damit hat das Gericht wichtige Streitfragen um die langlaufenden Sparverträge geklärt (Urteil vom 23.09.2025 – XI ZR 29/24).
Seit den 1990er Jahren boten Sparkassen Prämiensparverträge an, die eine variable Verzinsung mit einer steigenden Prämienstaffel von bis zu 50% ab dem 15. Sparjahr kombinierten. Weil die Vertragsformulare keine klare Regelung zur Anpassung des Zinssatzes enthielten, hielt ein Verbraucherschutzverband diese Gestaltung für unwirksam und warf den Sparkassen vor, die Zinsen über Jahre zu niedrig angesetzt zu haben.
Der Verband beantragte deshalb im Rahmen einer Musterfeststellungsklage, die Unwirksamkeit der Zinsklauseln festzustellen und einen Referenzzins für die Verträge zu bestimmen. Zugleich wollte er klären, dass Sparkassen neue Kündigungsklauseln nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Sparerinnen und Sparer einführen dürfen und Kündigungsschreiben ausschließlich auf Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen gestützt sind. Außerdem müsse bei der Zinsberechnung das Verhältnis zwischen Vertragszins und Referenzzins gewahrt bleiben, ein negativer Vertragszins aber ausgeschlossen sein. Schließlich verlangte er die Feststellung, dass zusätzliche Zinsansprüche derselben Verjährung wie die Rückzahlung der Einlage unterliegen und die Verjährung erst mit Vertragsende beginnt.
Vorinstanz: Bundesbankzinsen als Maßstab
Das BayObLG beurteilte diese Anliegen zunächst unterschiedlich (Urteil vom 28.02.2024 – 101 MK 1/20). Es sah die Kündigungsschreiben nicht als außerordentliche Kündigungen an. Für die Berechnung der Zinsen legte es je nach Abschlussjahr unterschiedliche Bundesbankwerte mit Laufzeiten zwischen zehn und 15 Jahren als Referenz zugrunde. Zudem entschied es, dass Sparkassen den absoluten Abstand zwischen Vertragszins und Referenzzins wahren müssen und ein negativer Vertragszins ausgeschlossen sei. Den Feststellungszielen zur Verjährung und zur Vertragslaufzeit gab es statt, im Übrigen wies es die Klage ab.
Beide Seiten gingen in Revision: Der Verband wollte unter anderem die Unwirksamkeit der Zinsklauseln ausdrücklich festgestellt wissen und forderte einen einheitlichen Referenzzins. Die Sparkasse beanstandete die Bestimmung der Referenzzinsen und wandte sich gegen die lange Vertragslaufzeit sowie die Regelung zur Verjährung.
Kündigungsklauseln auch ohne aktive Zustimmung wirksam
Der BGH erklärte den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel für unzulässig. Bereits 2004 habe der Senat entschieden, dass Klauseln dieser Art unwirksam seien. Auch die Sparkasse habe dies nicht bestritten.
Die Forderung, nur eine "aktive" Zustimmung der Sparkassenkunden und -kundinnen zu neuen Kündigungsklauseln anzuerkennen, wies der Senat zurück. Auch ein konkludentes Verhalten könne eine Zustimmung darstellen, wenn es erkennbar den Willen zur Einbeziehung ausdrückt. Damit stehe der Sparkasse auch dann ein ordentliches Kündigungsrecht zu, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ausdrücklich zugestimmt haben.
Zur Auslegung einzelner Kündigungsschreiben erklärte der Senat, dass solche Individualerklärungen nicht im Musterfeststellungsverfahren geklärt werden könnten. Die vom BayObLG festgelegten Referenzzinsen bestätigte er dagegen: Sie seien transparent, unabhängig ermittelt und spiegelten die langfristige Ausrichtung der Verträge wider.
Zinsanpassung nach der Verhältnismethode
Der BGH stellte außerdem klar, dass Zinsen nach der Verhältnismethode anzupassen sind. Diese bewahre das Verhältnis zwischen Vertragszins und Referenzzins und entspreche den typischen Erwartungen der Vertragsparteien. Die Verhältnismethode wahre das Äquivalenzprinzip, indem sie gewährleiste, dass günstige Zinskonditionen günstig bleiben und ungünstige auch ungünstig bleiben dürfen.
Aufsichtsrechtliche Einwände überzeugten den BGH nicht. Er verwies darauf, dass Nachzahlungen nur vergangene Zeiträume betreffen und verschiedene Kreditinstitute die Methode bereits umgesetzt hätten. Auch mathematische Argumente gäben keinen Anlass, von der bisherigen Linie abzuweichen, meinte der BGH. Es war eingewandt worden, die Verhältnismethode könne nicht verhindern, dass der Vertragszins ins Minus rutscht. Zwar sei ein negativer Vertragszins rechnerisch möglich, so der BGH. Rechtlich sei er aber ausgeschlossen, weil Prämiensparverträgen eine Zinsuntergrenze von 0% immanent sei.
Verjährung beginnt erst mit Vertragsende
Die Richterinnen und Richter stellten klar, dass der Anspruch auf weitere Zinsbeträge derselben Verjährung unterliegt wie der Anspruch auf Auszahlung der Spareinlage, und dass die Verjährung frühestens mit dem Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Sparvertrags beginnt. Die Möglichkeit, über gutgeschriebene Zinsen kurzfristig zu verfügen, ändere daran nichts. Sie betreffe nur bereits verbuchte Zinsen, nicht aber zusätzliche Beträge, die nach Neuberechnung entstehen. Diese würden automatisch Teil der Spareinlage. Nur eine einheitliche Fälligkeit aller Ansprüche – Kapital, gutgeschriebene und nachträglich berechnete Zinsen – entspreche den berechtigten Erwartungen der Sparerinnen und Sparer.
Schließlich legte der BGH fest, dass die Vertragsklausel über eine Laufzeit von 1188 Monaten wörtlich zu verstehen sei. Das bedeute eine Bindung von 99 Jahren, in der die Sparkasse kein ordentliches Kündigungsrecht habe – auch nicht nach Erreichen der höchsten Prämienstufe. Ob einzelne Verträge abweichend verstanden wurden, könne jedoch nur in Individualverfahren geprüft werden.


