Sachliche Zuständigkeit von OLG-Senaten: Die erste Instanz entscheidet

In der Sache geht es um Familienrecht, aber nach Verweisung hat ein LG entschieden: Wäre ein OLG-Zivil- oder Familiensenat in nächster Instanz zuständig? Entgegen seiner früheren Rechtsprechung hält der XII. Zivilsenat des BGH den Zivilsenat für zuständig, da in erster Instanz das LG tätig war.

Geschiedene Ehepartner stritten sich um die Aufteilung einer von insgesamt drei gemeinschaftlichen Immobilien. Der Ex-Mann tilgte – wie vereinbart – die gemeinsamen Kredite vollständig und verlangte im Gegenzug von seiner Ex die Löschung der (noch) zu ihren Gunsten eingetragenen Rückauflassungsvormerkung. Sie stellte sich allerdings quer und berief sich auf verschiedene Zurückbehaltungsrechte.

Das von ihm angerufene Familiengericht erklärte sich für funktionell unzuständig und verwies die Sache ans LG. Dort wurde die Frau verurteilt. Daran änderte auch ihre Berufung vor dem 22. Zivilsenat des OLG Dresden nichts. Dafür wurde der Ehemann im Gegenzug verurteilt, seinerseits eine Rückauflassungsvormerkung für eine andere Immobilie aufzugeben und seiner Ex-Frau noch Geld zu zahlen. Gegen die Entscheidung des OLG, die Revision nicht zuzulassen, legte er die Nichtzulassungsbeschwerde ein – ohne Erfolg.

Der XII. Zivilsenat des BGH (Beschluss vom 18.09.2024 – XII ZR 116/23) hielt die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das vom Zivilsenat des OLG erlassene Urteil nach § 544 ZPO zwar für zulässig, aber unbegründet. Während die Begründetheit dem BGH nur zwei Sätze wert war, setzte er sich ausführlich mit der Zulässigkeit auseinander.

Änderung der Rechtsprechung: Zivilsenat durfte entscheiden

Dabei klärte der Familiensenat des BGH zunächst, dass hier der Zivilsenat des OLG tätig werden durfte. Er gab seine frühere Rechtsprechung auf, wonach sich die Zuständigkeit beim OLG nach der rechtlichen Einordnung des Verfahrens als Familien- oder Zivilsache gerichtet hätte. Da sowohl der BGH als auch das OLG von einer "sonstigen Familiensache" nach FamFG ausgingen, hätte dies die Zuständigkeit des Familiengerichts bedeutet. Nunmehr hielten die Karlsruher Richterinnen und Richter fest: "Unabhängig von der familienrechtlichen Qualifikation des Streitgegenstands war der Senat für allgemeine Zivilsachen des Oberlandesgerichts nach dem Grundsatz der formellen Anknüpfung zur Entscheidung über das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts berufen". Seine frühere Rechtsprechung bezeichnete der BGH als "überholt". Nach der ZPO-Reform von 2001 könne sich niemand mehr darauf berufen, dass ein erstinstanzliches Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Insofern sei es nur konsequent den einmal beim LG (als Zivilgericht) eingeschlagenen Weg fortzusetzen.

Der XII. Zivilsenat betonte aber, dass die Zuständigkeit des Familien- oder Zivilsenats keine Auswirkungen auf das anzuwendende Verfahrensrecht hat. Insofern müsse auch ein OLG-Zivilsenat bei einer Familiensache durch Beschluss, nicht durch Urteil, entscheiden. Rechtsmittel sei dann die – nur bei Zulassung mögliche – Rechtsbeschwerde. Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre dann unzulässig gewesen.

Besonderheit: Aufgedrängtes Verfahren

Hier sei die Nichtzulassungsbeschwerde allerdings aufgrund einer Besonderheit dennoch zulässig: Das LG habe seine funktionelle Zuständigkeit nicht irrtümlich selbst angenommen, sondern das Verfahren sei ihm durch die rechtsfehlerhafte, aber bindende Verweisung (§ 17a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 6 GVG) durch die Familienabteilung des AG aufgedrängt worden sei. Das Empfangsgericht müsse dann seine eigene "Hausverfahrensordnung" anwenden. Die durch die Verweisung erzeugte Bindung an die eigene Verfahrensordnung wirke – konsequenterweise – dann auch in den Rechtsmittelinstanzen fort.

BGH, Beschluss vom 18.09.2024 - XII ZR 116/23

Redaktion beck-aktuell, ns, 5. November 2024.