Gericht leitet Irrläufer per Post weiter: Formunwirksam wegen Verstoß gegen beA-Pflicht?

Wenn ein Gericht einen per beA eingegangen Irrläufer ausdruckt und per Post an das richtige Gericht weiterleitet, dann kommt der Schriftsatz auf keinen Fall als elektronisches Dokument an und ist damit immer formunwirksam. Diese Logik des OLG Stuttgart stieß beim BGH zum Glück nicht auf Gegenliebe.

In einer Scheidungssache beantragte eine Anwältin für ihre Mandantin sechs Tage vor Fristablauf per beA, die Frist zur Beschwerdebegründung erstmals um einen Monat zu verlängern. Allerdings sandte sie den Schriftsatz nicht an das zuständige Beschwerdegericht, sondern an die erste Instanz. Die Geschäftsstelle druckte den Antrag aus und leitete ihn per Post an das OLG weiter. Dort kam er neun Tage später an – drei Tage nach Ablauf der Begründungsfrist.

Das OLG Stuttgart wies die Beschwerde als verfristet zurück und lehnte den Wiedereinsetzungsantrag wegen Anwaltsverschulden ab: Selbst, wenn der Verlängerungsantrag noch rechtzeitig beim OLG angekommen wäre, wäre er in jedem Fall nicht formgerecht – per beA – eingereicht worden. Schließlich war er – unstreitig – in Papierform beim OLG eingegangen und die Anwältin hätte auch nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Amtsgericht ihn elektronisch weiterleiten würde. Der BGH hob diese Entscheidung auf und gewährte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Beschluss vom 23.10.2024 – VIII ZB 411/23).

Die Karlsruher Richterinnen und Richter stellten klar, dass es irrelevant ist, in welcher Form ein Schriftsatz von Gericht zu Gericht weitergereicht wird. Es genüge den Anforderungen des § 130d Satz 1 ZPO, wenn der Schriftsatz per beA bei einem unzuständigen Gericht eingehe. Aus dem Wortlaut der §§ 130a und 130d ZPO geht dem BGH zufolge nicht hervor, dass der Schriftsatz in elektronischer Form beim zuständigen Gericht eingehen muss. Zweck des Gesetzes sei es nur, dass der Schriftsatz als elektronisches Dokument versendet werde. Es ginge um die aktive Nutzungspflicht der Beteiligten, sie sollten eine sichere Übermittlungsverbindung nutzen.

Die Beschwerdebegründungsfrist habe die Frau ansonsten zwar versäumt, weil der Fristverlängerungsantrag erst drei Tage nach Fristablauf zum OLG gelangt sei. Diese Säumnis sei auch verschuldet, weil ihre Anwältin den Antrag falsch adressiert habe. Aber das Verschulden sei nicht kausal für die Säumnis gewesen. Vielmehr geht der BGH davon aus, dass die Post im regulären Geschäftsgang vom AG zum OLG pünktlich zum Fristablauf spätestens sechs Tage später hätte eingehen müssen. Darauf habe die Anwältin auch vertrauen können.

BGH, Beschluss vom 23.10.2024 - XII ZB 411/23

Redaktion beck-aktuell, rw, 21. November 2024.