"Sale and rent back"-Geschäfte können wucherähnliches Rechtsgeschäft sein
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Es liegt zwar kein Verstoß gegen das Verbot des Rückkaufshandels vor, wenn ein staatlich zugelassener Pfandleiher wie Pfando gewerblich Autos kauft, diese an den Verkäufer zurückvermietet und nach dem Ende der vertraglich festgelegten Mietzeit durch öffentliche Versteigerung, an der der Verkäufer teilnehmen kann, verwertet. Wie der Bundesgerichtshof am Mittwoch entschieden hat, kann es sich bei diesen auch "sale and rent back" genannten Fällen aber um ein wucherähnliches Rechtsgeschäft handeln.

"sale and rent back"-Modell

Die beklage Pfando's cash & drive GmbH betreibt bundesweit ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus. Im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit kauft sie Kraftfahrzeuge an und vermietet diese unmittelbar an die Verkäufer zurück ("sale and rent back"). Am Ende des für sechs Monate vereinbarten Mietverhältnisses gibt sie die Kraftfahrzeuge zur öffentlichen Versteigerung, an der die ehemaligen Eigentümer teilnehmen können. Der vertraglich vereinbarte Aufrufpreis setzt sich aus dem Ankaufspreis zuzüglich verschiedener weiterer Positionen wie ausstehender Mieten, nicht ersetzter Schäden und den Kosten der Versteigerung zusammen. Ein in der Versteigerung erzielter Mehrerlös soll früheren Eigentümern nach dem Mietvertrag dann nicht zufließen, wenn sie das Kraftfahrzeug selbst erfolgreich im Weg der Versteigerung erwerben.

Berufungsgerichte gingen von verbotenem Rückkaufsgeschäft aus

In allen vier vor dem BGH verhandelten Verfahren nahmen die Berufungsgerichte an, dass nach einer Gesamtbetrachtung von Kauf- und Mietvertrag ein gemäß § 34 Abs. 4 GewO verbotenes Rückkaufsgeschäft gegeben sei. Der Verstoß gegen § 34 Abs. 4 GewO führe gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit der geschlossenen (Kauf- und Miet-)Verträge. In drei der Verfahren (Az.: VIII ZR 221/21, VIII ZR 290/21, VIII ZR 436/21) sind die Berufungsgerichte ferner davon ausgegangen, dass sich die Nichtigkeit auch auf die jeweilige Übertragung des Eigentums an dem Kraftfahrzeug erstreckt. In einem Verfahren (Az.: VIII ZR 436/21) hat das Berufungsgericht zusätzlich eine Nichtigkeit des Kauf- und Mietvertrags sowie der Übereignung des Kraftfahrzeugs wegen Vorliegens eines wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) angenommen. 

BGH: Einmal Wucher, dreimal Zurückverweisung

Der BGH hat jetzt entschieden, dass zwar kein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 4 GewO normierte Verbot des Rückkaufshandels vorliegt und die geschlossenen (Kauf- und Miet-)Verträge daher nicht gemäß § 134 BGB nichtig sind. Jedoch könne ein wucherähnliches Rechtsgeschäft (§ 138 Abs. 1 BGB) – mit der Folge der Nichtigkeit der Verträge – vorliegen. Hierauf wurde die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadenersatz sowie zur Rückzahlung vom Kläger geleisteter Miete in einem Fall (auch) gestützt (Az.: VIII ZR 436/21); diese Verurteilung der Beklagten hat Bestand. In den weiteren Fällen wurden die allein auf das Vorliegen eines verbotenen Rückkaufshandels nach § 34 Abs. 4 GewO gestützten Urteile der Berufungsgerichte vom BGH jeweils aufgehoben und die Verfahren zurückverwiesen.

Kein verbotener Rückkaufshandel

Das von der Beklagten vorgegebene Vertragsmodell unterfalle nicht dem in § 34 Abs. 4 GewO normierten Verbot des Rückkaufshandels, erläuterte der BGH. Denn den Klägern werde, anders als es die Vorschrift verlangt, kein Rückkaufsrecht eingeräumt. Um ein solches anzunehmen, genüge nicht allein die Wahl einer Vertragsgestaltung, mit der Pfandleihvorschriften umgangen werden. Es bedürfe vielmehr der Vereinbarung eines Rechts des Verkäufers zum Rückerwerb der Sache. Dies könne auch in Form eines Rücktrittsrechts des Kunden geschehen, da dieser es dann in der Hand habe, durch eine eigene Willenserklärung den Rückerwerb der Sache zumindest mittelbar zu vorab festgelegten Voraussetzungen herbeizuführen. Ein solches Recht sei den Klägern vorliegend nicht eingeräumt worden. Sie hätten lediglich faktisch die Möglichkeit, das zuvor an die Beklagte veräußerte Fahrzeug im Wege der Teilnahme an der öffentlichen Versteigerung durch Zuschlag wieder zurück zu erwerben. Bei einer am Wortsinn der Vorschrift orientierten Auslegung, welche auch die sich aus der historischen Entwicklung der Norm ergebende Zielsetzung des Gesetzgebers zu berücksichtigen hat, liege in einem solchen Fall kein verbotener Rückkaufshandel vor.

Bestimmtheits- und Analogieverbot bei § 34 Abs. 4 GewO zu beachten

Einer über diesen Wortsinn hinausgehenden Auslegung der Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO oder (gar) deren analoger Anwendung stehe vorliegend das aus Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG folgende Bestimmtheits- und Analogieverbot entgegen. Denn ein Verstoß gegen die Verbotsnorm des § 34 Abs. 4 GewO sei nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 GewO bußgeldbewehrt. Solche Normen dürften, in gleicher Weise wie Straftatbestände, nicht über ihren Wortsinn hinausgehend ausgelegt und auch nicht analog angewandt werden. Dem Verbot einer analogen Anwendung stehe vorliegend nicht entgegen, dass es nicht um die Verhängung eines Bußgelds, sondern um die Beurteilung der Nichtigkeit (§ 134 BGB) zivilrechtlicher Verträge gehe. Denn der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung gebiete es, dass ein objektiv gleiches Verhalten nicht einerseits zivilrechtliche Folgen nach sich zieht, andererseits aber eine – grundsätzlich vorgesehene – Verhängung eines Bußgelds aufgrund des Analogieverbots (Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG) ausscheiden müsse.

Verurteilung zu Schadenersatz in einem Verfahren

Die Annahme eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) in einem der Fälle (Az.: VIII ZR 436/21) hat der BGH dagegen bestätigt, sodass der Kauf- und Mietvertrag sowie die sich anschließende Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte nichtig sind. Es bleibe somit auch bei der Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadenersatz in Höhe des Wiederbeschaffungswerts des von ihr versteigerten Fahrzeugs (16.000 Euro) und zur Rückzahlung der erhaltenen Mieten sowie der Bearbeitungsgebühr (insgesamt 4.554 Euro), gekürzt um den vom Kläger selbst in Abzug gebrachten Kaufpreis (5.000 Euro). Aufgrund des besonders groben Missverhältnisses zwischen dem an den Kläger gezahlten Kaufpreis (5.000 Euro) und dem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags bestehenden Händlereinkaufswerts (13.700 Euro) werde eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten vermutet.

Übervorteilung des Verkäufers

Die angesichts dieser Umstände gegen die Beklagte sprechende tatsächliche Vermutung, dass sie bewusst oder grob fahrlässig einen den Kläger in dessen Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstand zu ihren Gunsten ausgenutzt habe, sei nicht widerlegt. Im Gegenteil spreche die weitere vertragliche Vereinbarung für eine Übervorteilung des Klägers. Denn dieser habe für die Nutzung seines ehemaligen Fahrzeugs eine monatliche Miete in Höhe von 495 Euro gezahlt und zusätzlich sämtliche Unterhaltungskosten (Versicherung, Steuern, Wartung, Reparatur) tragen müssen. Die Miete stelle nicht allein die Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung des Fahrzeugs, sondern der Sache nach auch eine "Vergütung" für die Überlassung des dem Kläger durch die Kaufpreiszahlung zur Verfügung gestellten Kapitals dar. Denn in der vereinbarten Mietzeit von sechs Monaten habe der Kläger bereits etwa 59% des von ihm zuvor erhaltenen Kaufpreises als Miete aufwenden müssen.

Verkäufer trägt Wertverlust des Fahrzeugs 

Einen Mehrerlös nach der – nach Ablauf der Mietzeit erfolgten – Versteigerung erhalte der Kläger nur, wenn das Fahrzeug durch einen Dritten ersteigert werde. Demgegenüber habe die Beklagte durch die Festlegung der Höhe des Aufrufpreises sichergestellt, dass ihr sowohl der an den Kläger gezahlte Kaufpreis als auch sämtliche Unkosten wieder erstattet werden. Da der Kläger, wenn er das Fahrzeug nach Ablauf der Mietzeit wieder (zurück-)erwerben möchte, zumindest den erhaltenen Kaufpreis an die Beklagte (zurück-)zahlen müsste, trage er auch den während der Mietzeit eingetretenen Wertverlust des Fahrzeugs. Pfando sieht sein Geschäftsmodell dennoch grundsätzlich bestätigt. Es handele sich um einen "einzigen - lange zurückliegenden und nicht vergleichbaren - Einzelfall", teilte eine von Pfando beauftragte Anwaltskanzlei am Donnerstag auf Anfrage mit. Der Erfurter Rechtsanwalt Holger Schilling, der eine dreistellige Zahl von Ex-Pfando-Kunden betreut, hatte nach der Urteilsverkündung gesagt, er gehe davon, dass Wucher in jedem seiner Fälle gegeben sei. "Diese Einschätzung teilt unsere Mandantin nicht", teilte die Kanzlei für Pfando mit. Die Entscheidung habe "keinen Einfluss auf ihre unternehmerische Freiheit". "Unsere Mandantin respektiert selbstverständlich die Rechtsauffassung zu dieser Thematik und wird sich künftig noch exakter an die Vorgaben der Rechtsprechung halten."

BGH, Urteil vom 16.11.2022 - VIII ZR 221/21

Redaktion beck-aktuell, 16. November 2022 (ergänzt durch Material der dpa).