Wohnungsrecht des Insolvenzschuldners am eigenen Grundstück ist pfändbar
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Ein Wohnungsrecht, das am eigenen Grundstück besteht, ist stets pfändbar. Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, kann es bei Insolvenz des wohnungsberechtigen Grundstückseigentümers vom Insolvenzverwalter gelöscht werden. Keine Rolle spiele, ob das Recht von Anfang an als Eigentümerwohnungsrecht bestellt wird oder ob es nachträglich zu einer Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person kommt.

Streit um Löschung des Wohnungsrechts

Der Beteiligte zu 1 war eingetragener Eigentümer eines bebauten Grundstücks. An dem Grundstück bestellte er sich selbst ein auf das Gebäude bezogenes Wohnungsrecht mit der Bestimmung, dass die Ausübung des Wohnungsrechts dritten Personen nicht überlassen werden könne. Außerdem brachte er das Grundstück in eine GbR als Einlage ein. Die GbR wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen, ebenso erfolgte die Eintragung des Wohnungsrechts. Über das Vermögen des Beteiligten zu 1 wurde einige Monate später das Insolvenzverfahren eröffnet; der Beteiligte zu 4 wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser nahm im Wege der Insolvenzanfechtung die GbR erfolgreich auf Rückgewähr in Anspruch und erklärte die Auflassung des Grundbesitzes an den Beteiligten zu 1. Er bewilligte und beantragte zudem die Löschung des Wohnungsrechts. Daraufhin wurde der Beteiligte zu 1 wieder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen; das Wohnungsrecht wurde gelöscht. Gegen die Löschung des Wohnungsrechts legte der Beteiligte zu 1 Beschwerde ein mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs. Das Kammergericht wies die Beschwerde zurück. Hiergegen wandte sich der Beteiligte zu 1 mit der Rechtsbeschwerde.

BGH bestätigt Löschung des Wohnungsrechts

Der BGH hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht habe es zu Recht abgelehnt, das Grundbuchamt zur Eintragung eines Widerspruchs gegen die Löschung des Wohnungsrechts anzuweisen. Denn durch die Löschung des Wohnungsrechts seien keine gesetzlichen Vorschriften verletzt worden. Der Beteiligte zu 4 sei als Insolvenzverwalter befugt gewesen, die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse auf ihn über. Dem Insolvenzschuldner werde, soweit die Insolvenzmasse betroffen ist, auch die Bewilligungsbefugnis entzogen; sie werde durch den Insolvenzverwalter ausgeübt. Die Bewilligungsbefugnis des Insolvenzverwalters umfasse dagegen nicht das Vermögen, das nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Wohnungsrecht gehört an sich nicht zu Insolvenzmasse

Grundsätzlich gehörten beschränkte persönliche Dienstbarkeiten und damit auch das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) als Sonderfall der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit allerdings nicht zur Insolvenzmasse, weil sie gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht übertragbar und deshalb nicht pfändbar seien (§ 851 Abs. 1, § 857 Abs. 1 ZPO). Etwas anderes gelte gemäß § 857 Abs. 3 ZPO dann, wenn die Überlassung der Ausübung an einen anderen nach § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet ist. Daran fehle es hier.

Eigentümerwohnungsrecht jedoch stets pfändbar

Gleichwohl sei das Wohnungsrecht des Beteiligten zu 1 pfändbar und falle in die Insolvenzmasse, weil der Beteiligte zu 1 das Eigentum an dem Grundstück zurückerlangt habe und das Wohnungsrecht dadurch zum Eigentümerwohnungsrecht geworden sei. Der V. Zivilsenat des BGH habe bereits 1964 entschieden, dass eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit dann pfändbar ist, wenn der Eigentümer des Grundstücks und der Berechtigte personenidentisch sind. An dieser Ansicht, die auch für das Wohnungsrecht gilt, halte der BGH fest.

BGH argumentiert mit gesetzlichem Leitbild

Das Gesetz gehe in den §§ 1090 ff. BGB davon aus, dass die beschränkte persönliche Dienstbarkeit an einem fremden Grundstück besteht, Eigentümer und Berechtigter also personenverschieden sind. Für das Wohnungsrecht komme das in § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck. Nach dieser Vorschrift berechtige das Wohnungsrecht zu einer Nutzung der umfassten Räume durch den Wohnungsberechtigten "unter Ausschluss des Eigentümers". Zwar erlaube der BGH die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und damit auch die Bestellung eines Wohnungsrechts am eigenen Grundstück. Das habe seinen Grund darin, dass dafür im Zusammenhang mit der Vertragsgestaltung, insbesondere bei der Veräußerung des Grundstücks, ein praktisches Bedürfnis bestehen kann, ändere aber nichts daran, dass nach dem gesetzlichen Leitbild Grundstückseigentümer und Berechtigter personenverschieden sind. Dieses gesetzliche Leitbild liege gerade auch der Vorschrift der § 1092 Abs. 1 BGB zugrunde, die zum Ausschluss der Pfändbarkeit führen könne.

Ausschluss der Pfändbarkeit setzt Fremdrecht voraus

Auf ein Eigentümerwohnungsrecht könne sich der Ausschluss der Pfändbarkeit nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erstrecken. Die Vorschrift des § 1092 Abs. 1 BGB diene dem Schutz des Eigentümers. Sie trage dem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Eigentümer und Berechtigtem Rechnung und schließe es aus, dass der Berechtigte ohne Mitwirkung des Eigentümers ausgetauscht werden kann. Das zeige, dass der Ausschluss der Pfändbarkeit ein Fremdrecht voraussetzt. Für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit und insbesondere das Wohnungsrecht an eigenen Grundstücken sei § 1092 Abs. 1 BGB deshalb teleologisch einzuschränken. Der Berechtigte, der zugleich Eigentümer ist, müsse sich so behandeln lassen, als habe er es gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet, die Ausübung einem anderen zu überlassen.

Insolvenzverwalter darf Löschung des Wohnungsrechts bewilligen

Infolgedessen sei ein Eigentümerwohnungsrecht stets – und damit auch hier – pfändbar. Hierfür spiele es keine Rolle, ob das Wohnungsrecht von Anfang an als Eigentümerwohnungsrecht bestellt wird oder ob es nachträglich zu einer Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person kommt. Aufgrund der Pfändbarkeit falle das Eigentümerwohnungsrecht bei Insolvenz des wohnungsberechtigten Grundstückseigentümers in die Insolvenzmasse und sei von dem Insolvenzverwalter zu verwerten. Der Insolvenzverwalter sei befugt, im Rahmen der Verwertung die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen, etwa um das Grundstück lastenfrei veräußern zu können.

BGH, Beschluss vom 02.03.2023 - V ZB 64/21

Redaktion beck-aktuell, 5. April 2023.