WEG bleiben bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum pro­zess­füh­rungs­be­fugt
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Der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft auch nach der WEG-Reform die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum weiterhin durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen kann. Darüber hinaus sind die Voraussetzungen für eine Haftung des Verkäufers eines Grundstücks wegen Altlasten beziehungsweise eines Altlastenverdachts präzisiert worden.

Streit um Altlastenbeseitigung am Gemeinschaftseigentum

Die Beklagte, ein Immobilienunternehmen, war Eigentümerin eines Grundstücks in München. 2012 teilte sie das Grundstück mit dem bestehenden Gebäude in Wohnungseigentum auf und begann mit dem Verkauf der Einheiten. Für den zunächst beabsichtigten Bau einer Tiefgarage ließ sie im Frühjahr 2013 die Böden des Innenhofs und der Außenflächen der Anlage untersuchen. Dabei wurde eine ehemalige Kiesgrube aufgefunden, deren aufgefüllte Böden, wie weitere Untersuchungen zeigten, unterschiedlich mit Schadstoffen belastet waren. Die zuständige Behörde erteilte eine Altlastenauskunft, in der der gesamte Innenhof als Altlastenverdachtsfläche verzeichnet wurde. Diese Altlastenauskunft legte die Beklagte in den Kaufverträgen offen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft begehrt die Feststellung des Bestehens von Mängelansprüchen wegen der Altlasten im Innenhof und im südlichen Außenbereich, hilfsweise die Verpflichtung zur Sanierung.

OLG verpflichtet Verkäuferin zur Sanierung

Nachdem das LG München I dem Hauptantrag teilweise stattgegeben hatte, hatte das OLG München den Hauptantrag als unzulässig abgewiesen und auf den Hilfsantrag die Beklagte zur Beseitigung der vorhandenen Altlasten durch Sanierung des Innenhofs und des südlichen Außenbereichs verurteilt. Dagegen legte die Beklagte Revision ein - mit Erfolg. Der BGH führt aus, dass die Klägerin für die Geltendmachung des Nachbesserungsanspruchs zwar prozessführungsbefugt sei. In der Sache trage die von dem OLG gegebene Begründung die Verurteilung der Beklagten zur Nacherfüllung nach § 439 Abs. 1 BGB aber nicht.

WEG-Regelung zur "Vergemeinschaftung durch Mehrheitsbeschluss" ersatzlos entfallen

In Bezug auf die Prozessführungsbefugnis der Klägerin führt der BGH aus, dass die Regelung zur "Vergemeinschaftung durch Mehrheitsbeschluss" in § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG aF, auf deren Grundlage die Eigentümergemeinschaft ihre Beschlüsse gefasst habe, infolge der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) während des Berufungsverfahrens ersatzlos entfallen sei. Nunmehr regele § 9a Abs. 2 WEG, der aufgrund des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) ab dem 01.12.2020 gelte, nur noch die sogenannte "geborene Ausübungsbefugnis".

Ansprüche können weiterhin durch Mehrheitsbeschluss "vergemeinschaftet" werden

Gleichwohl könnten Ansprüche aus Erwerbsverträgen, die die Mängelbeseitigung betreffen, weiterhin durch Mehrheitsbeschluss "vergemeinschaftet" werden, mit der Folge, dass die Prozessführungsbefugnis der Klägerin fortbestehe. Die Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft ergebe sich unverändert aufgrund der Verwaltungsbefugnis für das gemeinschaftliche Eigentum sowie der in § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG geregelten Pflicht zu dessen Erhaltung. Hierfür spreche auch die Gesetzesbegründung, der zufolge die bisherige BGH-Rechtsprechung zum Bauträgerrecht, nach der eine Vergemeinschaftung von werkvertraglichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen möglich war, fortgelten soll. Entsprechendes müsse für die Vergemeinschaftung von kaufrechtlichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen gelten. Nur diese Sichtweise trage der nach der Reform unveränderten Interessenlage der Wohnungseigentümer hinreichend Rechnung. Engere Sichtweisen seien abzulehnen.

OLG muss in der Sache erneut verhandeln

In der Sache habe der Hilfsantrag jedoch keinen Erfolg. Zwar sei die Annahme, dass das Grundstück wegen des Vorfindens einer aufgefüllten Kiesgrube und eines hierdurch begründeten Altlastenverdachts einen Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF aufweist, nicht zu beanstanden. Die von dem Verkäufer geschuldete Nachbesserung umfasse aber zunächst nur die Ausräumung des Verdachts durch Aufklärungsmaßnahmen. Ein Altlastenverdacht rechtfertige hingegen nicht die Sanierung des Grundstücks, zu der die Beklagte von dem Berufungsgericht verurteilt worden ist. Da insofern noch Fragen offen seien, müsse nun das OLG erneut verhandeln.

Richterin hält Ergebnis für "überaus bedeutsam"

Aus Sicht der Vorsitzenden Richterin des fünften Zivilsenats, Bettina Brückner, war die Klärung für die Praxis "überaus bedeutsam". Julia Wagner vom Eigentümerverband Haus & Grund sprach vom richtigen Ergebnis. Es sei gut, dass das nun geregelt sei. "Nähme man das Gesetz beim Wort, gäbe es jetzt nur noch zwei Möglichkeiten", sagte Richterin Brückner. Dass ausschließlich Eigentümergemeinschaften gegen Mängel an gemeinschaftlichem Eigentum vorgehen dürfen, erscheine wenig sinnvoll, da es um individuell erworbene Rechte gehe. Wiederum handle auch ein Wohnungseigentümer, der selbstständig die Mängelbeseitigung verfolgt, grundsätzlich im Interesse aller anderen Wohnungseigentümer. Allzu eng gefassten Sichtweisen habe der BGH daher eine Absage erteilt, betonte Brückner. Im Grunde bleibt es nun bei der bisherigen, flexiblen Praxis.

BGH, Urteil vom 11.11.2022 - V ZR 213/21

Redaktion beck-aktuell, Miriam Montag, 11. November 2022.