BGH: Wohneigentum an Altbau führt zu Sanierungspflicht bei Durchfeuchtung

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Wohnungs- und Teileigentümer dazu verpflichtet sein können, Feuchtigkeitsschäden im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums sanieren zu lassen. Der BGH teilte mit, dass eine Sanierung ablehnende Entscheidungen der Eigentümerversammlung ersetzt werden müssen, wenn das gemeinschaftliche Eigentum gravierende bauliche Mängel aufweise, die die zweckentsprechende Nutzung von Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen. Dann sei eine sofortige Instandsetzung zwingend erforderlich und einzelne Wohnungseigentümer könnten die Sanierung gemäß § 21 Abs. 4 WEG verlangen (Urteil vom 04.05.2018, Aktenzeichen: V ZR 203/17).

Sachverhalt

Die Parteien bilden eine Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. Das im Jahr 1890 errichtete Gebäude wurde im Jahr 1986 in zwölf Wohnungen und drei Teileigentumseinheiten aufgeteilt. Die Kläger sind die Eigentümer der drei Teileigentumseinheiten, die sich im Souterrain des Gebäudes befinden. Diese Einheiten werden in der Teilungserklärung als "Laden" bzw. "Büro" bezeichnet und derzeit als Naturheilpraxis, Künstleragentur und Kommunikationsagentur genutzt. Weil die Wände dieser Einheiten Durchfeuchtungen aufweisen, holte die Wohnungseigentümergemeinschaft im Jahr 2010 ein Gutachten eines Ingenieurbüros und im Jahr 2011 ein Gutachten eines Architekten ein. Beide Gutachten ergaben dieselben Schadensursachen, nämlich eine fehlende außenseitige Sockelabdichtung, eine fehlende Horizontalsperre und im Mauerwerk eingelagerte Salze. In der Eigentümerversammlung vom 31.03.2015 wurde der zu TOP 2a gestellte Antrag der Kläger auf Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden abgelehnt. Auch der weitere Antrag zu TOP 2b, wonach die Instandsetzung durch Einbringung einer Horizontalsperre im Mauerwerk sowie Aufbringung einer Vertikalsperre auf den erdberührten Außenwänden erfolgen soll, fand keine Mehrheit. Zu TOP 2f beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.

Bisheriger Prozessverlauf

Gegen die genannten Beschlüsse zu TOP 2a, 2b und 2f wenden sich die Kläger mit der Anfechtungsklage. Zugleich haben sie beantragt, die Beklagten zu verurteilen, den Beschlussanträgen zu TOP 2a und 2b zuzustimmen bzw. eine gerichtliche Beschlussersetzung vorzunehmen. Das Amtsgericht hatte die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hatte ihr das Landgericht stattgegeben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollten die Beklagten erreichen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Sanierungspflicht gegeben bei massiver Durchfeuchtung von Wänden

Der BGH entschied nun, dass der zu TOP 2a beantragte Grundlagenbeschluss über die Sanierung der Feuchtigkeitsschäden durch das Gericht ersetzt werden musste. Grundsätzlich müsse das gemeinschaftliche Eigentum jedenfalls in einem solchen baulichen Zustand sein, dass das Sondereigentum zu dem in der Teilungserklärung vorgesehenen Zweck genutzt werden kann. Hier lägen gravierende bauliche Mängel vor, die die zweckentsprechende Nutzung von Wohnungs- oder Teileigentumseinheiten erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen könnten. Denn die Innen- und Außenwände der Teileigentumseinheiten seien massiv durchfeuchtet. Die Ursache liege in einer fehlenden Abdichtung des Gebäudes und damit im Gemeinschaftseigentum. Daher sei die Sanierung (ebenso wie beispielsweise bei Mängeln des Dachs) Aufgabe aller Wohnungseigentümer.

Auftritt von Schimmel muss nicht abgewartet werden

Da die Teileigentumseinheiten nach der Teilungserklärung als Büro bzw. Laden genutzt werden dürfen, müssten sie ebenso wie Wohnungen grundsätzlich dazu geeignet sein, als Aufenthaltsraum für Menschen zu dienen. Massive Durchfeuchtungen müssten die Kläger deshalb nicht hinnehmen, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten sein sollte. Entgegen der Auffassung in der Revisionsbegründung werde der Sanierungsanspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich um Souterraineinheiten in einem Altbau handele.

Sanierung ist Beteiligten auch zumutbar

Die Sanierung sei den Beklagten auch zuzumuten. Sei der Erhalt der Gebäudesubstanz gefährdet, müsse ohnehin saniert werden. Sei die Gebäudesubstanz nicht gefährdet, ließe sich die Sanierung allenfalls durch eine Änderung der Teilungserklärung vermeiden, indem der Nutzungszweck der betroffenen Einheiten geändert wird, hier etwa durch eine Änderung dahingehend, dass die Teileigentumseinheiten (nur) als Keller dienen.

Keine Entscheidung über Hinnahmepflicht bei unverhältnismäßigen Sanierungskosten

Ob Durchfeuchtungen einer als Keller dienenden Teileigentumseinheit unter Umständen hingenommen werden müssten, und ob unverhältnismäßige Kosten der Instandsetzung dazu führen können, dass die übrigen Wohnungseigentümer eine Anpassung der in der Teilungserklärung vorgesehenen Zweckbestimmung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG verlangen können, hat der Senat offengelassen. Denn abgesehen davon, dass ein solcher Anpassungsanspruch nicht Gegenstand des Verfahrens sei, handele es sich um einen äußerst gravierenden Eingriff in das Eigentumsrecht der betroffenen Eigentümer, die ihre Einheiten nicht mehr - wie zuvor - als Laden oder Büro nutzen könnten. Deshalb könne eine solche Anpassung der Teilungserklärung nur als ultima ratio in Ausnahmefällen und gegen Ausgleichszahlungen in Betracht gezogen werden.

Hier kein Anpassungsanspruch

Von einem solchen Ausnahmefall könne hier nicht ausgegangen werden. Nach den Feststellungen des Landgerichts lasse sich die Feuchtigkeit beheben. Die von den Klägern mit 300.000 EUR bezifferten Sanierungskosten seien zwar für sich genommen hoch. Es sei aber nicht ersichtlich, dass sie völlig außer Verhältnis zu dem erzielbaren Nutzen für die Gebäudesubstanz im Allgemeinen und die drei Einheiten der Kläger im Besonderen stehen. Eine "Opfergrenze" für einzelne Wohnungseigentümer sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin nicht anzuerkennen.

Auch ablehnender Beschluss über Anbringen einer Horizontalsperre wird ersetzt

Die gerichtliche Beschlussersetzung habe auch im Hinblick auf den Beschlussantrag zu TOP 2b erfolgen müssen. Auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens gehe das Landgericht rechtsfehlerfrei davon aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nur das in dem Beschlussantrag vorgesehene Sanierungsverfahren ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen habe. Die näheren Details blieben einer fachgerechten Sanierungsplanung vorbehalten.

Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung verbietet Verzögerungstaktik mittels weiterer Privatgutachten

Schließlich sei auch den Beschlussanfechtungsklagen zu Recht stattgegeben worden. Den Wohnungseigentümern hätten nämlich schon im Zeitpunkt der Eigentümerversammlung zwei Privatgutachten vorgelegen, die die Schadensursache übereinstimmend benannt und Sanierungsmöglichkeiten aufgezeigt hatten. Die Schlussfolgerung des Landgerichts, es habe nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen, die Sanierungsanträge abzulehnen (TOP 2a und 2b) und stattdessen die Einholung eines weiteren Gutachtens zu beschließen (TOP 2f), lasse keine Rechtsfehler erkennen. Jedenfalls habe es ordnungsmäßiger Verwaltung widersprochen, die erforderliche Sanierung mit den angefochtenen Beschlüssen weiter zu verzögern.

BGH, Beschluss vom 04.05.2018 - V ZR 203/17

Redaktion beck-aktuell, 4. Mai 2018.