Wirksame Abtretung von Ansprüchen auf Ersatz der Sachverständigenkosten

Hat ein Geschädigter mit einem Schadensgutachter eine Preis- oder Honorarvereinbarung getroffen, ohne seine persönliche Haftung für Honorarkosten auszuschließen, dient dies bei der Schadensschätzung als Hinweis für den Umfang des geldwerten Ersatzes. Die Abtretung dieses Anspruchs ist laut Bundesgerichtshof auch als isolierte Zession wirksam. Die Berufung könne aufgrund einer Anhörungsrüge ausnahmsweise nachträglich zugelassen werden, wenn sich die Zulassungsgründe erst im fortgesetzten Verfahren ergeben.

Abtretungserklärung "nicht an Erfüllungs statt"

Eine Schadensgutachterin nahm einen Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht auf Ersatz restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von 77 Euro nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Dabei wurde das Fahrzeug des Geschädigten beschädigt. Die volle Einstandspflicht der Assekuranz war unstreitig. Im August 2018 beauftragte die Geschädigte die Klägerin mit der Erstellung eines Gutachtens zur Schadenshöhe. Das Auftragsformular enthielt folgende "Abtretungserklärung": "(Ich trete) meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachtenkosten gegen den Unfallgegner und dessen Versicherungsgesellschaft an die T. GmbH ab. Meine persönliche Haftung für die Gutachtenkosten bleibt trotz dieser Abtretung bestehen. Die Abtretung erfolgt nicht an Erfüllungs statt." Für das Gutachten verlangte die Firma 576 Euro. Davon zahlte die Versicherung 499 Euro. Daraufhin schlossen die Klägerin und das Unfallopfer eine weitere "Abtretungsvereinbarung": "Der Auftraggeber/Zedent tritt (…) seinen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber der Haftpflichtversicherung an die T. GmbH/Zessionarin [Klägerin] ab und ermächtigt die T. GmbH/Zessionarin diese Kosten gerichtlich geltend zu machen."

Berufungszulassung erst nach Anhörungsrüge

Das AG Coburg ging davon aus, dass dem Gutachter die Aktivlegitimation fehlte, und ließ die Berufung nicht zu. Nach einer Anhörungsrüge führte es das Verfahren fort, wies die Klage erneut ab, ließ aber die Berufung zu. Das dortige LG gab der Klage überwiegend statt. Die Gutachterin sei aktivlegitimiert, da der Geschädigte seine Forderung wirksam an sie abgetreten habe. Die Formulierung, die Abtretung erfolge nicht an Erfüllungs statt, bedeute nichts anderes als eine Abtretung erfüllungshalber. Genau dies werde durch den Satz, dass die persönliche Haftung bestehen bleibe, erklärt. Die Revision der Beklagten beim BGH blieb ohne Erfolg.

Abtretung des Ersatzanspruchs auch als isolierte Zession wirksam

Dem stimmte der VI. Zivilsenat im Ergebnis zu. Die Berufung sei hier wirksam nachträglich zugelassen worden. Grundsätzlich sei ein Gericht an seine eigenen Entscheidungen gebunden. Hier habe aber der Ausnahmefall vorgelegen, dass die Gehörsverletzung durch das Amtsgericht gerade die Frage der Berufungszulassung betraf. Insofern habe dieser Aspekt im weiteren Verfahren korrigiert werden können. Die erste Abtretungserklärung sei entgegen der Auffassung des LG unwirksam, da sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstieß. Die in der zweiten Erklärung vereinbarte Abtretung an Erfüllungs statt befreie den Geschädigten von der Honorarforderung der Klägerin (§ 364 Abs. 1 BGB) und sei wirksam. Die Abtretung des Ersatzanspruchs gegen den - hier allein beklagten - Versicherer sei auch als isolierte Zession (Singularabtretung, Separatübertragung) wirksam. Es habe keiner Zustimmung der weiteren Gesamtschuldner bedurft. Zur Schätzung der Schadenshöhe nach § 287 ZPO führte der BGH aus, dass eine Preisabrede wie hier, bei der die Geschädigte für die Kosten einsteht, ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" Betrages nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB bildet.

BGH, Urteil vom 07.02.2023 - VI ZR 137/22

Redaktion beck-aktuell, 30. März 2023.