BGH will Revisionsurteil zu “Cum/Ex“-Geschäften Ende Juli verkünden
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Der Bundesgerichtshof wird sich am 28.07.2021 erstmals zur Strafbarkeit von “Cum/Ex“-Aktiengeschäften mit Milliardenschäden für die Steuerkasse äußern. Dann wollen die obersten Strafrichter über die Revisionen zweier vom Landgericht Bonn zu Bewährungsstrafen verurteilter Börsenhändler entscheiden. An dem Verfahren ist auch die Privatbank M.M. Warburg beteiligt, die sich gegen die Einziehung von rund 176 Millionen Euro wehrt.

"Cum/Ex"-Geschäfte nur unmoralisch oder strafbar?

Eine Tendenz ließen die Richterinnen und Richter in der rund zweieinhalbstündigen Verhandlung nicht erkennen. Mit "Cum/Ex"-Aktiengeschäften prellten Investoren, Banken und Börsenhändler den deutschen Fiskus um etliche Milliarden Euro - war das nur unmoralisch, oder machten sie sich auch strafbar? Längst laufen großangelegte Ermittlungen und erste Prozesse, aber ein höchstrichterliches Urteil steht noch aus. Cum-Ex-Geschäfte heißen so, weil Aktien mit (“cum“) und ohne (“ex“) Dividendenanspruch rund um den Stichtag für die Ausschüttung in rascher Folge hin- und hergeschoben wurden. Die bewusst undurchsichtigen Transaktionen hatten nur ein Ziel: bei den Finanzbehörden möglichst große Verwirrung stiften. Mit diesem Trick ließen sich die Beteiligten im großen Stil Kapitalertragsteuer erstatten, die nie gezahlt wurde. Die Gewinne wurden aufgeteilt. Möglich machte das eine Gesetzeslücke, die erst 2012 geschlossen wurde. Bis dahin boomte das "Cum/Ex"-Geschäft.

LG Bonn verurteilte zwei Londoner Börsenhändler

Inzwischen arbeiten mehrere Staatsanwaltschaften und Strafgerichte die komplexen Vorgänge auf. Das erste Urteil fiel im März 2020 am Landgericht Bonn in einem Prozess gegen zwei Londoner Börsenhändler. Beide hatten für die inzwischen liquidierte Finanzberatung Balance gearbeitet, die im "Cum/Ex"-Skandal eine zentrale Rolle spielte. Das Landgericht hatte den einen Mann wegen Steuerhinterziehung, den anderen wegen Beihilfe dazu zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Dabei rechneten die Richter beiden hoch an, dass sie den Ermittlern ausführlich die Geschäftspraktiken erläutert und damit neue Verfahren angestoßen hatten. Auch die Anklage hatte keine höheren Strafen gefordert: Denn der "größte Steuerraub der deutschen Geschichte" sei nicht von zwei Menschen, sondern von Hunderten begangen worden.

Privatbank M.M. Warburg wehrt sich gegen millionenschwere Einziehung

Der erste Mann soll außerdem seinen Anteil an den Profiten zurückzahlen - 14 Millionen Euro. Dagegen hat er Revision eingelegt. Der zweite wehrt sich gegen seine Verurteilung insgesamt. Beide hatten beteuert, sie hätten nie gedacht, etwas Strafbares zu tun. Der Bundesgerichtshof hat auch darüber zu entscheiden, ob die in den Skandal verwickelte Privatbank M.M. Warburg 176 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen muss. Das hatte das Landgericht angeordnet. Die Bank hält das für ungerechtfertigt. Sie hat inzwischen die Steuernachforderungen beglichen, geht gegen die Bescheide des Finanzamts und die Einziehungsanordnung aus Bonn aber rechtlich vor. Warburg-Anwalt Ali Norouzi sagte nach der Verhandlung, die beiden Angeklagten hätten auf eigene Rechnung gehandelt, "nicht für die Bank". Außerdem seien die Ansprüche aus einem Teil der Geschäfte zwischen 2007 und 2009 steuerrechtlich verjährt. Eine Einziehungsentscheidung komme deshalb nicht in Betracht. Das sieht die Bundesanwaltschaft anders. Das gesamte Geschäftsmodell von "Cum/Ex" beruhe auf einem arbeitsteiligen Agieren einer Vielzahl von Marktteilnehmern. Insoweit seien alle Beteiligten an dieser Steuerhinterziehung strafrechtlich relevant beteiligt.

Redaktion beck-aktuell, 15. Juni 2021 (dpa).

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