Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Strafrecht

Eine Wiedereinsetzung kann einem Angeklagten gewährt werden, wenn dem Bundesgerichtshof die Begründung einer Verfahrensrüge wegen eines defekten Faxgeräts des Verteidigers nur unvollständig übermittelt wurde. Ähnlich wie in den Fällen, in denen die Unterschrift des Verteidigers gefehlt hat, könne man ausnahmsweise eine Wiedereinsetzung gewähren. Der 5. Strafsenat nutzte zugleich die Gelegenheit, noch einmal eine Verständigung von einem bloßen Rechtsgespräch abzugrenzen.

Fax verschluckt Teile der Revisionsbegründung

Ein Mann wurde vom Landgericht Kiel wegen mehrerer Betäubungsmitteldelikte zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Im Prozess gab es auf Anregung des Verteidigers ein Rechtsgespräch, in dem Staatsanwaltschaft und Anwalt eine Einschätzung zur Beweislage abgaben. In der Hauptverhandlung wurde das Protokoll dieses Austauschs unter der Überschrift "Verständigungsgespräch" verlesen. Der Vorsitzende erklärte jedoch, es habe sich nicht um ein solches Gespräch gehandelt. Der Angeklagte legte gegen das Urteil eine umfassende - auch Verfahrensrügen beinhaltende - Revision ein. Wegen eines technischen Fehlers im Faxgerät des Verteidigers wurden zwei Seiten der Revisionsbegründung - von der erfahrenen Schreibkraft der Kanzlei unbemerkt - nicht übermittelt. Der BGH hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Der 5. Strafsenat gab dem Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 44 Satz 1 StPO statt. Jedenfalls der Inhalt einer Seite des Schriftsatzes war demnach für den vollständigen Vortrag der Verfahrensrüge unverzichtbar. Aber die Leipziger Richter wichen von dem Grundsatz, dass für die Nachholung der Begründung von Verfahrensrügen keine Wiedereinsetzung gewährt wird, ab. Die unvollständige Übermittlung wegen des defekten Faxgeräts sei vergleichbar mit anderen Ausnahmen, in denen der BGH bereits anders entschieden hatte: So etwa, wenn bloß die Unterschrift des Verteidigers gefehlt hatte, oder wenn die letzte Seite der Begründung erst nach Fristablauf - nach 0 Uhr - eingegangen war. Der Angeklagte selbst habe den Fehler nicht verschuldet.

Rechtsgespräch ist keine Verständigung

Der BGH nahm weiter Stellung zum Deal nach § 257c StPO: Eine Verständigung sei erst dann gegeben, wenn sich das Gespräch darum dreht, dass der Angeklagte ein bestimmtes Prozessverhalten zeigt, und im Gegenzug ein bestimmter Strafrahmen zugesagt wird. Tauschen die Verfahrensbeteiligten aber nur Einschätzungen über die Beweislage aus, liegt den Leipziger Richtern zufolge nur ein Rechtsgespräch vor. Selbst wenn der Verteidiger eine Strafvorstellung äußere, sei ohne eine Einigung darüber von allen Beteiligten kein Deal gegeben. Daran, so der 5. Strafsenat, ändere sich auch nichts, wenn der Verteidiger in der Hauptverhandlung ein Verständigungsgespräch ankündige oder der Vorsitzende das Gesprächsprotokoll mit "Verständigungsgespräch" überschreibe.

BGH, Beschluss vom 28.09.2021 - 5 StR 140/21

Redaktion beck-aktuell, 30. November 2021.