Wiedereinsetzung gegen versäumte Rechtsmitteleinlegung "auf eigene Faust"

Wenn für ein dem Anwaltszwang unterliegendes Rechtsmittelverfahren nur teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt wird, muss die Partei auf eigene Kosten und Initiative das Rechtsmittel für den abgelehnten Teil einlegen. Sie darf für einen Wiedereinsetzungsantrag gegen eine versäumte Rechtsmitteleinlegung nicht die Beiordnung eines Anwalts abwarten. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 09.07.2020 entschieden.

Wiedereinsetzungsfrist nicht gewahrt

Der Kläger verlangte die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die versäumte Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH. Zuvor hatte dieses Gericht ihm mit Beschluss vom 12.09.2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines noch zu benennenden, dort zugelassenen Rechtsanwalts bewilligt. Am 09.01.2020 hatte der Senat die Beiordnung einer Anwältin veranlasst. Mit am 31.01.2020 eingegangenem Schriftsatz legte diese für den Mandanten umfassend Nichtzulassungsbeschwerde ein und beantragte Wiedereinsetzung.

BGH: Partei muss auf eigene Kosten selbst für Vertretung sorgen

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hatte überwiegend keinen Erfolg: Aus Sicht des V. Zivilsenats war die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO versäumt. Für den Fall, dass einer Partei mit dem Beschluss über die (nur) teilweise Bewilligung von PKH noch kein Anwalt beigeordnet worden ist, darf sie die noch ausstehende Beiordnung eines Rechtsbeistands nicht abwarten, so die Karlsruher Richter. Ihr stehe jedoch eine Überlegungsfrist von drei bis vier Tagen zu, in deren Anschluss die Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 2 ZPO zu laufen beginne. Sie müsse die Anträge – nicht anders als einer vollständigen Abweisung des PKH-Antrags – auf eigene Kosten stellen und selbst für ihre Vertretung sorgen. Daran sei sie schon nicht deshalb gehindert, weil die Beiordnung eines Anwalts für den Teil des Rechtsstreits noch ausstehe, für den PKH bewilligt worden sei. Ihr Interesse, einheitlich durch denselben Anwalt vertreten zu werden, ändere nicht den Fristbeginn, sondern sei bei der Entscheidung über die Beiordnung zu berücksichtigen. Die Frist zur Wiedereinsetzung begann aus Sicht des BGH bereits nach der Zustellung des Senatsbeschlusses vom 12.09.2020 und der sich daran anschließenden Überlegungsfrist. Bei Eingang des Wiedereinsetzungsantrags sei sie daher verstrichen gewesen.

BGH, Beschluss vom 09.07.2020 - V ZR 30/20

Redaktion beck-aktuell, 25. August 2020.