Wiedereinsetzung bei technischen Übergangsproblemen mit dem beA
email_versand_problem_CR_ JenkoAtaman_adobe
© JenkoAtaman / stock.adobe.com
email_versand_problem_CR_ JenkoAtaman_adobe

Einem Angeklagten kann Wiedereinsetzung zu gewähren sein, wenn sein Anwalt technisch (noch) nicht in der Lage ist, fristgebundene Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltsfach (beA) an das Gericht zu übermitteln. Laut Bundesgerichtshof ist der Anwalt grundsätzlich für die technische Infrastruktur verantwortlich, bei Übergangsproblemen liege aber ein Verschulden des Mandanten fern. Technische Probleme müsse der Verteidiger unabhängig davon unverzüglich glaubhaft machen.

Revision in Papierform übermittelt

Das Landgericht Berlin hatte den Angeklagten unter anderem wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil wurde am 18.05.2022 in Anwesenheit des Mannes sowie seines Verteidigers verkündet. Rechtsmittelbelehrung wurde erteilt. Am 20.05.2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, legte sein Anwalt Revision in Papierform ein. Am 06.07.2022 verwarf das LG das Rechtsmittel als unzulässig, weil die Revision nicht nach § 32d Satz 2 StPO als elektronisches Dokument übermittelt worden sei. Dagegen wandte sich der Verteidiger am 14.07.2022 mit einem "Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Revisionsgerichts". Er versicherte per "eidesstattlicher Versicherung", dass er das Schriftstück am 20.05.2022 aus technischen Gründen nicht über das beA habe versenden können. Erst ab dem 04.07.2022 sei er dazu nach zeitaufwendiger vollständiger Neuinstallation des Computersystems nebst Konfiguration der Sicherungssoftware in der Lage gewesen. Aus diesem Grund greife § 32d Satz 3 StPO (vorübergehende Übermittlung in Papierform). Der BGH gewährte dem Angeklagten von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Glaubhaftmachung nachgeholt

Dem 5. Strafsenat zufolge hat das LG die Revision des Angeklagten zwar zu Recht als unzulässig verworfen, da die Formvorschrift des § 32d Satz 2 StPO nicht eingehalten wurde. Die Ausnahmevorschrift des § 32d Satz 3 StPO greife mangels rechtzeitiger Glaubhaftmachung nicht. Im Übrigen sei der Anwalt für die technische Infrastruktur verantwortlich. Da der Verteidiger mit Schriftsatz vom 14.07.2022 aber die Glaubhaftmachung nach § 32d Satz 4 Halbsatz 1 StPO nachgeholt habe, nicht nach § 32d Satz 4 Halbsatz 2 StPO zur Nachreichung eines elektronischen Dokuments aufgefordert worden sei und es sich ersichtlich noch um technische Übergangsprobleme gehandelt habe, liege kein Verschulden des Angeklagten am Fristversäumnis vor. Der Beschluss des LG werde damit gegenstandslos, so der BGH weiter. Da es bereits ein vollständiges Urteil abgefasst habe, das zudem wirksam zugestellt worden sei, bedürfe es keiner Rückgabe der Akten an das LG zur Ergänzung der Urteilsgründe oder zur Zustellung des Urteils.

BGH, Beschluss vom 27.09.2022 - 5 StR 328/22

Redaktion beck-aktuell, 24. Oktober 2022.