Wiedereinsetzung bei Falschadressierung
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Das Versenden eines falsch adressierten Fristverlängerungsantrags durch eine Angestellte wird beim Versäumen einer Frist dem Anwalt nicht zugerechnet, wenn der Fehler zuvor bemerkt und eine Korrekturanweisung erteilt wurde. Es genügt laut Bundesgerichtshof, dass der Anwalt eine zuverlässige Bürokraft anweist, eine neue, richtig adressierte Berufungsschrift zu erstellen, er diese unterzeichnet und dem Personal zur Übersendung übergibt. Die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung dürften nicht überspannt werden.

Büroangestellte versandte versehentlich den "ursprünglichen" Schriftsatz

Das LG Neuruppin stellte der Klägerin das klageabweisende Urteil am 01.10.2020 zu. Dagegen legte diese Berufung ein, ohne ihr Rechtsmittel gleichzeitig zu begründen. Das OLG Brandenburg verwarf die Berufung nach Fristablauf als unzulässig. Durch ein Versehen einer sonst zuverlässigen Kanzleimitarbeiterin war am 01.12.2020 ein falsch adressierter Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist an das LG gefaxt worden. Und das, obwohl die Angestellte die anwaltliche Anweisung hatte, den ursprünglichen Schriftsatz "zu schreddern" und einen Fristverlängerungsantrag mit richtiger Adressierung zu fertigen. Der Begründung legte die Klägerin eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten und eine anwaltliche Versicherung ihres vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten bei. Das falsch adressierte Dokument erreichte das LG am 01.12.2020 und ging nach dessen Weiterleitung beim OLG verspätet am 07.12.2020 ein. Am 22.12.2020 beantragte die Mandantin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - vorerst vergeblich. Die Klägerin erhob daraufhin erfolgreich die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof.

Anforderungen an ausreichende Begründung überspannt

Aus Sicht des IV. Zivilsenats ist der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie ohne ihr Verschulden daran gehindert war, die Rechtsmittelbegründungsfrist einzuhalten (§§ 233 Satz 1, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das OLG habe die Anforderungen überspannt, die im Fall der Falschadressierung einer Rechtsmittelschrift als ausreichende Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags vorzutragen und glaubhaft zu machen seien (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Es genüge, wenn der Anwalt eine zuverlässige Bürokraft anweise, eine neue, richtig adressierte Berufungsschrift zu erstellen, ihm zur Unterschrift vorzulegen, er diesen (nunmehr richtig adressierten) Schriftsatz unterzeichne und der Angestellten zur Übersendung übergebe. Durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten und der anwaltlichen Versicherung ihres Anwalts hätte die Klägerin dies auch glaubhaft vorgetragen. Der BGH verwies die Sache daher an das OLG zurück.

BGH, Beschluss vom 15.12.2021 - IV ZB 11/21

Redaktion beck-aktuell, 24. Januar 2022.