Widersprechende Entscheidungen bei Bauhandwerkersicherung in Kauf zu nehmen
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Steht eine Honorarrückerstattungsklage einer Sicherungsforderung des Unternehmers gegenüber, kann das Gericht bei Spruchreife über den Sicherungsanspruch entscheiden, auch wenn die Honorarklage wegen Mängelrügen noch offen ist. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass vom Grundsatz, widersprechende Entscheidungen in einer Sache zu vermeiden, hinsichtlich des Sicherungsanspruchs des Werkunternehmers eine Ausnahme zu machen ist. Der Gesetzgeber räume diesem gegenüber den Rechten des Bestellers ausdrücklich einen Vorrang ein, um den Auftragnehmer vor dem Risiko einer Insolvenz des Bestellers zu schützen.

Sanierung nicht rund gelaufen

Eine Bauherrin beauftragte 2015 einen Architekten mit der Sanierung von 13 Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus. Das vereinbarte Pauschalhonorar in Höhe von 190.000 Euro unterschritt die Mindestsätze der HOAI (Honorarordnung der Architekten und Ingenieure). Nachdem die Auftraggeberin einen Abschlag gezahlt hatte, stellte sie fest, dass die bisherigen Arbeiten Mängel aufwiesen und kündigte den Vertrag außerordentlich. Der Architekt habe sich nicht ausreichend um die Beseitigung der Mängel gekümmert. Dieser erstellte erst eine Schlussrechnung auf der Grundlage der vereinbarten Vergütung und dann eine auf der Basis der HOAI. Die Parteien stritten zum einen um eine Rückzahlung von Teilhonorar wegen Baumängeln und im Rahmen der Widerklage um eine Werkunternehmersicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 2 BGB aF (jetzt § 650f BGB) in Höhe von rund 300.000 Euro. Das Landgericht Hannover gab der Widerklage mit Teilurteil statt. Das Oberlandesgericht Celle hob dieses Teilurteil wegen Unzulässigkeit auf. Der Architekt verfolgte seinen Sicherungsanspruch vor dem Bundesgerichtshof weiter - mit Erfolg.

Problem widersprechender Entscheidungen

Ein Teilurteil kann dem BGH zufolge grundsätzlich nur dann ergehen, wenn die Widerklage zur Entscheidung reif sei und von der Klage unabhängig ergehen könne. Damit solle die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen gebannt werden. Die Höhe des Vergütungsanspruchs steht laut den Karlsruher Richtern sowohl mit dem Rückzahlungsanspruch der Bauherrin als auch mit der Sicherheitsleistung in einem unmittelbaren Zusammenhang und kann nur einheitlich beantwortet werden. Die Gefahr der unterschiedlichen Bewertung der Frage - auch von Rechtsmittelgerichten - sei hier tatsächlich gegeben.

Ausnahme: Unternehmersicherheit

Der gesetzliche Zweck des § 648a BGB aF liegt dem VII. Zivilsenat zufolge darin, dem Unternehmer möglichst schnell und effektiv eine Sicherheit für den Fall ausbleibender Zahlung des Bestellers zu verschaffen. Wenn also die Voraussetzungen des Sicherungsanspruchs gegeben seien, sei eine Ausnahme vom obigen Grundsatz zu machen. Der Gesetzgeber habe die Übersicherung des Unternehmeranspruchs - etwa durch berechtigte Mängelrügen - durchaus in Kauf genommen. Er räume dem Sicherungsanspruch gegenüber den Rechten des Bestellers ausdrücklich Vorrang ein, um den Auftragnehmer vor dem Risiko einer Insolvenz des Bestellers zu schützen. Der BGH hob das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurück.

BGH, Urteil vom 20.05.2021 - VII ZR 14/20

Redaktion beck-aktuell, 2. Juli 2021.