Widerrufsrecht bei Vertrag über Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts
treppenlift_senioren_CR_ Ingo Bartussek_adobe
© Ingo Bartussek / stock.adobe.com
treppenlift_senioren_CR_ Ingo Bartussek_adobe

Verträge über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts, für den eine passende Laufschiene angefertigt und in das Treppenhaus des Kunden eingepasst werden muss, stellen Werkverträge dar, sodass Verbrauchern bei Vertragsabschluss außerhalb von Geschäftsräumen ein 14-tägiges Widerrufsrecht zusteht, über das sie zu informieren sind. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Widerrufsrecht bei Kurventreppenlift?

Die Beklagte vertreibt Kurventreppenlifte. Dabei handelt es sich um Treppenlifte mit Schienen, die individuell an die im Treppenhaus zu befahrenden Kurven angepasst werden. Die Beklagte teilt Verbrauchern bezüglich der Kurventreppenlifte mit, dass - außer für ein bestimmtes Modell - kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Die Klägerin, eine Verbraucherzentrale, vertrat die Ansicht, dass ein Widerrufsrecht bestehe und sah in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Sie nahm die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Klägerin zurück. Das OLG verneinte einen Unterlassungsanspruch, weil im Streitfall kein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehe. Die Klägerin ging anschließend in Revision.

BGH: Widerrufsrecht und Informationspflicht

Die Revision hatte Erfolg. Der BGH hat das OLG-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Unterlassung verurteilt. Die Werbung der Beklagten mit der Angabe, im Falle eines Kurventreppenlifts mit individuell geformten und an die Gegebenheiten vor Ort angepassten Laufschienen bestehe kein Widerrufsrecht des Verbrauchers, begründe eine Erstbegehungsgefahr für einen Verstoß gegen die als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG einzustufenden Vorschriften des § 312d Abs. 1 BGB und Art. 246a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB, nach denen über das nach § 312g Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren sei.

Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen, da Werkvertrag

Laut BGH ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312g Abs. 1 BGB im Streitfall entgegen der Ansicht des OLG nicht gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Der Begriff der "Verträge zur Lieferung von Waren" im Sinne dieser Vorschrift sei mit Blick auf Art. 16 Buchst. c der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass dazu Kaufverträge (§ 433 BGB) und Werklieferungsverträge (§ 650 BGB), aber weder Dienstverträge (§ 611 BGB) noch - jedenfalls im Regelfall - Werkverträge (§ 631 BGB) zählen. Die im Streitfall erfolgte Werbung sei auf den Abschluss eines § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht unterfallenden Werkvertrags gerichtet, so die Karlsruher Richter.

Abgrenzung von Werklieferungsverträgen und Werkverträgen

Für die Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen einerseits und Werkverträgen andererseits kommt es laut BGH darauf an, auf welcher der Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liege. Bezogen auf den Streitfall nimmt der BGH hier an, dass der Schwerpunkt des angestrebten Vertrags nicht auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz am zu liefernden Treppenlift liege, sondern auf der Herstellung eines funktionstauglichen Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden liegt. Auch der hierfür, an den individuellen Anforderungen des Bestellers ausgerichtete, erforderliche Aufwand spreche daher für das Vorliegen eines Werkvertrags, so der BGH.

Einbau des Lifts steht im Vordergrund

Bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts, der durch eine individuell erstellte Laufschiene auf die Wohnverhältnisse des Kunden zugeschnitten werde, stehe für den Kunden nicht die Übereignung, sondern der Einbau eines Treppenlifts als funktionsfähige Einheit im Vordergrund, für dessen Verwirklichung die Lieferung der Einzelteile einen zwar notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt darstelle, so der BGH.

BGH, Urteil vom 20.10.2021 - I ZR 96/20

Redaktion beck-aktuell, 20. Oktober 2021.