Wettbewerbswidrige Prozessvertretung durch Versicherung

Eine Haftpflichtversicherung begeht einen Wettbewerbsverstoß, wenn sie für eine Versicherte Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid einlegt. Eine planwidrige Regelungslücke, die dies rechtfertigen würde, gibt es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht. Die darin liegende Einschränkung der Berufsfreiheit der Assekuranz sei gerechtfertigt.

Vollstreckungsbescheid nach Hundebiss

In einem Schadensersatzprozess wegen eines Hundebisses legte eine Haftpflichtversicherung für ihre Kundin Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid ein. Dem Anwalt des Verletzten missfiel dies: Er wertete ihr Auftreten als Prozessbevollmächtigte als wettbewerbswidrigen Rechtsbruch des Unternehmens. Sein Unterlassungsantrag stieß beim LG Halle auf offene Ohren. Das OLG Naumburg andererseits bestätigte zwar, dass Versicherungen nicht zu den zugelassenen Bevollmächtigten im Parteiprozess nach § 79 ZPO gehörten, hielt aber eine Auslegung über den Wortlaut hinaus für notwendig. Die Berufsfreiheit von fachlich qualifizierten Unternehmen werde ansonsten grundlos eingeschränkt. Der BGH schlug sich auf die Seite des Landgerichts.

Keine Regelungslücke

Der I. Zivilsenat stellte einen Verstoß gegen den Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG durch die unzulässige Vertretung der Versicherungsnehmerin fest. Ein solches Vertretungsrecht ergebe sich nicht direkt aus § 79 ZPO – hier seien sich alle Beteiligten einig. Die vom OLG Naumburg vorgenommene Ausdehnung des Gesetzes lehnte der BGH ab: Weder gebe es hier eine planwidrige Regelungslücke, noch erfordere Art. 12 GG eine andere Auslegung. Das Interesse der Haftpflichtversicherung am Prozessausgang werde durch ihr Recht, als Nebenintervenientin (§§ 66, 68 ZPO) teilzunehmen, ausreichend geschützt. Ihre Stellung lasse sich auch nicht mit der von Ehepartnern oder unentgeltlich handelnden Streitgenossen vergleichen, die aus Gründen der Prozessökonomie in § 79 ZPO besonders erwähnt würden. Schließlich hat der Gesetzgeber nach Ansicht des Gerichts eine Entscheidung zugunsten einer Vertretung durch generell besonders sachkundige und berufshaftpflichtversicherte Personen wie Anwältinnen und Anwälten getroffen. Besondere Kenntnisse einer Haftpflichtversicherung im Einzelfall könnten nicht in gleicher Weise auf deren gesamte Berufsgruppe übertragen werden.

BGH, Urteil vom 10.03.2022 - I ZR 70/21

Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 8. Juni 2022.