Weiterhin "fiktive" Schadensbemessung im Mietrecht

Eine fiktive Schadensberechnung auf Grundlage (noch) nicht aufgewendeter Beseitigungskosten für Schäden und unterlassene Schönheitsreparaturen sowie Rückbauten ist laut Bundesgerichtshof im Mietrecht bei beendetem Mietverhältnis weiterhin möglich. Die geänderte Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zur fiktiven Abrechnung im Werkvertragsrecht sei nicht auf andere Vertragstypen übertragbar.

Streit um Reparaturen

Ein Vermieter verlangte von seinen Mietern unter anderem einen Kostenvorschuss in Höhe von 8.425 Euro zur Durchführung von Schönheitsreparaturen sowie Schadensersatz in Höhe von 881 Euro. Sie hatten die Wohnung in seinem Mehrparteienhaus nach Ende des Mietvertrags am 31.12.2017 am 02.01.2018 herausgegeben. Am 08.01.2018 forderte er sie vergeblich auf, Wandfliesen in der Küche zu erneuern, die Wand im Treppenhaus des Anwesens zu streichen, verlegte Fliesen und den PVC-Belag zurückzubauen sowie die Zarge der Wohnungseingangstür zu reparieren. Ein vom ihm eingeholter Kostenvoranschlag ergab Arbeitskosten in Höhe von 7.961 Euro (netto). Diese verlangte er hilfsweise erstattet. Die Rückbauarbeiten führte er teilweise (Entfernung des PVC-Belags; Lieferung/Verlegung neuer Böden) selbst aus.

Vorinstanzen verneinten Ansprüche

Sowohl beim AG Lüdenscheid als auch beim LG Hagen scheiterte er mit seinem Anliegen. Der vom Kläger geltend gemachte Kostenvorschussanspruch (8.425 Euro) stehe diesem nicht zu, da es im Mietrecht - anders als im Werkvertragsrecht (§ 637 Abs. 3 BGB) - dafür keine Anspruchsgrundlage gebe. Dieser betreffe nur die Durchführung von Schönheitsreparaturen während eines - vorliegend nicht mehr - bestehenden Mietverhältnisses. Auch der Schadensersatzanspruch (881 Euro) nach §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 BGB stehe dem Kläger nicht zu, da dieser insoweit eine fiktive Schadensberechnung vornehme, welche nicht (mehr) zulässig sei. Gleiches gelte für die hilfsweise Geltendmachung des Betrages laut dem Kostenvoranschlag. Die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zum Werkvertragsrecht sei übertragbar. Die Revision des Klägers beim BGH hatte teilweise Erfolg und führte zur Zurückverweisung.

BGH: Fiktive Berechnung ist möglich

Der VIII. Zivilsenat beschäftigte sich lediglich mit der Frage, inwieweit ein Vermieter eine Erstattung anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten ("fiktiven") Kosten verlangen kann. Dabei stellte er klar, dass nach ständiger Rechtsprechung im Mietrecht Schadensersatzansprüche statt der Leistung in ihrer Höhe auch mit den für die Instandsetzung oder -haltung oder für den Rückbau erforderlichen Kosten berechnet werden dürfen. Daran habe die Abkehr des VII. Zivilsenats von der fiktiven Abrechnung nichts geändert. Schon nach dessen eigener Ansicht sei seine Rechtsprechung nicht auf andere Vertragstypen übertragbar. Auch gehe es hier um ein beendetes Mietverhältnis. Das LG müsse nunmehr Feststellungen zu Grund und Höhe des Schadens treffen.

BGH, Urteil vom 19.04.2023 - VIII ZR 280/21

Redaktion beck-aktuell, 7. Juni 2023.