Wegerecht mit Torschließungspflicht?

Wer ein Wegerecht an einem Grundstück hat, kann nicht ohne Weiteres verpflichtet werden, die Tore desselben immer hinter sich zu schließen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Interessen der beiden Grundstückseigentümer gegeneinander abgewogen werden müssen. Es bestehe kein genereller Vorrang der Sicherheitsinteressen des belasteten Grundstückseigentümers gegenüber dem Anspruch auf ungehinderte Ausübung des Wegerechts.

Tor auf - Tor zu!

Die Parteien waren Nachbarn. Der Beklagte, Inhaber eines Hintergrundstücks, besaß ein Wegerecht für das Vordergrundstück des Klägers. Dieser hatte sein Grundstück eingezäunt und zwei schwere Tore installiert: Eines zur öffentlichen Straße und eines zum Grundstück seines Hintermannes hin. Er verlangte, dass sein Nachbar nach jeder Durchfahrt aussteigen und die Tore hinter sich schließen solle. Der aber weigerte sich und verlangte im Gegenzug, dass es seinem Vordermann verboten werde, die Tore immer hinter ihm zu schließen. Das Landgericht Hildesheim folgte ihm. Es wies die Klage des Torbauers ab und verurteilte ihn, die Tore nach dem Passieren des Nachbarn offen zu lassen. Das Oberlandesgericht Celle hielt es für zumutbar, das Tor zwischen den beiden Grundstücken nach der Benutzung zu schließen - das Tor zur Straße hin sei schlicht zu schwergängig. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf und verwies die Sache wieder zurück.

Abwägung der beiderseitigen Interessen

Der Eigentümer des Vordergrundstücks hat dem BGH zufolge einen Anspruch gegen seinen Hintermann auf schonende Ausübung der Grunddienstbarkeit nach § 1020 BGB. Dem steht das Recht seines Nachbarn auf ungehinderte Ausübung seines Wegerechts gegenüber. Der V. Zivilsenat hält die Wertung des OLG, das Interesse des Klägers an der Einfriedung seines Grundstücks überwiege, solange die Nutzung der Tore nicht unzumutbar sei, für fehlerhaft: Er könne sein Grundstück zwar nach § 903 BGB beliebig nutzen, aber nur soweit die Rechte Dritter dem nicht entgegenstünden. Das Interesse des belasteten Grundstückseigentümers genieße also keinen generellen Vorrang. 

Hinweise für das OLG

Der V. Zivilsenat verwies die Sache an das Oberlandesgericht zurück, um die gegenseitigen Interessen der Parteien genauer zu erforschen: Ist das Sicherungsinteresse des belasteten Eigentümers vielleicht tageszeitlich begrenzt? Könnte die Schwergängigkeit der Tore durch ein Motorgetriebe behoben oder mit einem leichteren Tor ersetzt werden? Könnte die Einfriedung des Grundstücks auf eine andere Art und Weise erfolgen?

BGH, Urteil vom 16.04.2021 - V ZR 17/20

Redaktion beck-aktuell, 17. Juni 2021.