WEG-Wahnsinn: Beleidigungen unter Wohnungseigentümern sind keine WEG-Sache

Beleidigungen von Wohnungseigentümern untereinander sind in der Regel keine WEG-Streitigkeit. Der V. Zivilsenat des BGH hat damit seine frühere Rechtsprechung ergänzt, wonach Beleidigungen im Rahmen einer Hausversammlung andererseits regelmäßig einen Gemeinschaftsbezug haben.

Eine GbR aus zwei Ehepaaren – stolze Eigentümer je einer Doppelhaushälfte – bildete eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Doch der Frieden zwischen beiden Paaren war trügerisch: Immer wieder kam es zu (gerichtlichen) Auseinandersetzungen – so auch über die Reinigung der Entwässerungsrinnen auf dem Vorplatz der Carports. Dazu wurde ein Duo schließlich per Urteil verpflichtet, was die Verlierer offenkundig wurmte. Als beide Ehemänner einige Zeit später auf dem Grundstücksvorplatz aufeinandertrafen, beleidigte der eine seinen Nachbarn – einen Amtsrichter – mit den Worten: "Sie sind sowieso eine Lachfigur, Sie Idiot."

Auf dessen Abmahnung hin gab er eine Unterlassungserklärung über einen Rechtsanwalt ab. In einem Begleitbrief heizte der Anwalt den Streit an und kehrte den Spieß um: Sein Mandant sei durch den Richter an diesem Tag "geduzt, unflätig bepöbelt und mit der Einleitung eines weiteren Gerichtsverfahrens bedroht" worden. Das nahm der Beschimpfte nicht hin und klagte unter anderem auf Unterlassung der Behauptung.

Das Landgericht Hamburg war zunächst der Auffassung, dass dieser Streit noch nicht einmal 600 Euro wert sei. Nach einer Entscheidung des für unerlaubte Handlungen zuständigen VI. Zivilsenat des BGH (Beschluss vom 16.11.2021 – VI ZB 58/20) musste sich die Kammer doch inhaltlich äußern und beschied dem Beleidigten, dass die Ergänzungen zur Unterlassungserklärung keine Ehrverletzung darstellten und es ihm am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Amtsrichter sah sich seinem gesetzlichen Richter entzogen, da nicht die für WEG-Sachen zuständige Kammer entschieden hatte. Damit durfte sich ein zweiter BGH-Senat mit dem Fall beschäftigen – was der Klage aber nicht zum Erfolg verhalf.

BGH: Äußerungsrechtliche Beurteilung ist entscheidend

Denn nach der Entscheidung des unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständigen V. Zivilsenats (Urteil vom 22.09.2023 – V ZR 254/22) war nicht die WEG-Kammer des LG Hamburg für die Sache zuständig. Es liege keine wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG a.F. (§ 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG) vor, wenn die Äußerung – wie hier – jenseits einer Eigentümerversammlung oder Beiratssitzung getätigt worden sei. Dass der Anlass des Streits darin liegt, dass die Wohnungseigentümer in einer die Hausgemeinschaft betreffenden Frage unterschiedlicher Auffassung sind, war, so der BGH, nur der Anlass für die Äußerung.

Deren Zulässigkeit richte sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften. Entscheidend sei die äußerungsrechtliche Beurteilung. Dabei fehlte hier nach Ansicht der Karlsruher Richterinnen und Richter das Rechtsschutzbedürfnis für eine Untersagung der Äußerungen des Anwalts. Schon im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung seien – von Ausnahmefällen abgesehen – der Rechtsverfolgung dienende Aussagen privilegiert. 

BGH, Urteil vom 22.09.2023 - V ZR 254/22

Redaktion beck-aktuell, ns, 30. Oktober 2023.