VW-Abgasskandal: Gerichtsstand bei mehreren betroffenen Emittenten

Die örtliche Zuständigkeit für Klagen wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformationen richtet sich nach dem Sitz des jeweils handelnden Unternehmens. Eine Bündelung der Ansprüche gegen mehrere betroffenen Firmen mit unterschiedlichem Sitz findet nicht statt. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 21.07.2020 entschieden.

Streit über die örtliche Zuständigkeit

Im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal bestand Unklarheit darüber, welches Landgericht örtlich zuständig für Schadensersatzklagen von Anlegern gegen die VW AG und die Porsche SE ist. Ausgangspunkt der Kapitalanleger-Musterverfahren waren Forderungen von Aktionären wegen angeblicher Verletzungen von Mitteilungspflichten und fehlerhafter Finanzberichterstattung. Die Prozesse wurden bei den Landgerichten in Braunschweig und Stuttgart eingeleitet - also an den für die Sitze der Gesellschaften zuständigen Gerichten. Im Rahmen des Musterverfahrens vor dem LG Braunschweig erließ das OLG Braunschweig einen Teil-Musterentscheid zur örtlichen Zuständigkeit. Es verneinte einen einheitlichen ausschließlichen Gerichtsstand am Sitz des "primär betroffenen" Emittenten: Für die Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit sei darauf abzustellen, welches Unternehmen nach dem Klagevorwurf den Kapitalmarkt falsch oder irreführend informiert oder die gebotene Information unterlassen habe.

BGH: Kein alleiniger ausschließlicher Gerichtsstand

Die Rechtsbeschwerde zum BGH hatte keinen Erfolg. Aus Sicht der Karlsruher Richter hat das OLG zutreffend angenommen, dass kein alleiniger ausschließlicher Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO für alle Anlegerklagen im Zusammenhang mit der Dieselthematik besteht. Betroffener Emittent sei derjenige, dem eine Informationspflichtverletzung in Bezug auf seine Wertpapiere vorgeworfen werde. Eine darüber hinausgehende Bündelung der örtlichen Zuständigkeit in Fällen, in denen mehrere Gesellschaften mit Sitz an unterschiedlichen Gerichten verklagte werden, sehe § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht vor. Die Bundesrichter wiesen darauf hin, dass die Zuständigkeitsbestimmung keinem "konzerndimensionalen Verständnis" folgen muss. Ansonsten sei nicht mehr eindeutig bestimmbar, an welchem Unternehmenssitz der Fall zu verhandeln wäre. Nichts anderes gelte, wenn einer Firma Mitwirkung an den Fehlinformationen einer anderen vorgeworfen werde. So könne der Stuttgarter Konzern auch dann nicht als Emittent der VW-Aktien angesehen werden.

BGH, Beschluss vom 21.07.2020 - II ZB 19/19

Redaktion beck-aktuell, 10. September 2020.