Vorvertragliche Aufklärungspflicht für Altgesellschafter nur bei Vertriebsverantwortung

Im Streit um Aufklärungspflichten zwischen Anlegern und Gründungsgesellschaftern einer Publikumskommanditgesellschaft hat der Bundesgerichtshof die spezialgesetzliche Prospekthaftung von der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss abgegrenzt. Nach seiner vorläufigen rechtlichen Bewertung kommt eine Haftung der geschäftsführenden Kommanditistin der Fondsgesellschaft unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens bei Vertragsschluss in Betracht. Abzustellen sei auf die Vertriebsverantwortung.

In den beim BGH anhängigen Fällen verklagten die Anleger, die sich Ende 2010 bzw. 2011 an der Publikumskommanditgesellschaft, die Immobilieninvestments auf dem US-amerikanischen Markt plante, beteiligt hatten, die Gründungsgesellschafter wegen nicht hinreichender Aufklärung über kapitalmäßige bzw. personelle Verflechtungen auf Schadenersatz und bekamen in den Vorinstanzen Recht.

Zweiter Senat will an bisheriger Rechtsprechung festhalten

In seinen Beschlüssen vom 27.06.2023 hat der Zweite Senat zunächst darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, an seiner Rechtsprechung festzuhalten, nach der im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung eine Haftung der Altgesellschafter wegen Verletzung von Aufklärungspflichten gemäß §§ 280 Abs. 1, 3282, 241 Abs. 2311 Abs. 2 BGB nicht ausgeschlossen wird.

Die mit dem Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes vom 28.10.2004 geschaffenen spezialgesetzlichen Aufklärungspflichten und das mit ihnen verbundene Haftungsregime würden aber unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Elften BGH-Senats eine Neuausrichtung seiner bisherigen Rechtsprechung zu den bestehenden allgemeinen Aufklärungspflichten der Altgesellschafter rechtfertigen, so die BGH-Richter.

Eine vorvertragliche Aufklärungspflicht treffe danach nur noch solche Altgesellschafter, die entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen.

BGH präzisiert Haftung bei Vertriebsverantwortung

Vertriebsverantwortung tragen laut BGH danach, soweit der Vertriebsauftrag von der Fondsgesellschaft erteilt wurde, die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter.

Der Senat schränkte aber ein, dass eine Altgesellschafterin die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Aufklärung der Beteiligungsinteressenten nicht allein deswegen trage, weil ihr Alleingesellschafter aufgrund eines von der Fondsgesellschaft erteilten Auftrags den Vertrieb der Beteiligungen übernommen habe. Auch eine personelle Verflechtung eines Altgesellschafters mit der Vertriebsgesellschaft begründe keine Verantwortung für den Vertrieb, so das Gericht weiter.

Rechtsprechung des XI. Senats steht nicht entgegen

Der Elfte BGH-Zivilsenat hat auf Anfrage des Zweiten Zivilsenats mitgeteilt, dass seine Rechtsprechung (in BeckRS 2022, 38271) , einer an die Vertriebsverantwortung anknüpfenden Haftung der Altgesellschafter gemäß §§ 280 Abs. 1, 3282, 241 Abs. 2311 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten nicht entgegensteht.

Nach der Rechtsprechung des Elften Senats schließt die spezialgesetzliche Prospekthaftung (§ 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG) in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 311 Abs. 2 BGB aus.

BGH, Beschluss vom 27.06.2023 - II ZR 57/21

Redaktion beck-aktuell, 11. Juli 2023.