Vorstandswahl zur Anwaltskammer Düsseldorf ungültig

Der Bundesgerichtshof hat die Wahl fast des gesamten Vorstands der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf für ungültig erklärt – darunter auch die des bisherigen Präsidenten Herbert P. Schons. Damit hat er eine Entscheidung des nordrhein-westfälischen Anwaltsgerichtshofs bestätigt. Sein Rechenschaftsbericht auf einer Kammerversammlung im Wahljahr 2017 verstieß demnach gegen das Neutralitätsgebot.

Streit mit "Erneuerern"

Der Bundesgerichtshof hat am heutigen Mittwoch seine Entscheidung, über die die NJW vorab berichtet hatte (NJW-aktuell Heft 52/2020, S. 7), veröffentlicht. Hintergrund waren Zwistigkeiten unter anderem wegen des langwierigen und erfolglosen Rechtsstreits um die Kündigung der Hauptgeschäftsführerin Susanne Offermann-Burckart. Zudem gibt es eine Gruppe von "Erneuerern", die sich daran störten, dass Schons seit Jahrzehnten zahlreiche Ämter in Anwaltsorganisationen ausübte und sich zu wenig für die Belange der neu hinzugekommenen Syndikusrechtsanwälte eingesetzt habe. Einige Anwälte aus dem Bezirk hatten sogar eine Strafanzeige gegen ihn erstattet, blieben damit aber ohne Erfolg.

"Amtliche Wahlbeeinflussung"

Der Senat für Anwaltssachen in Karlsruhe befand, die Grundsätze zu demokratischen Parlamentswahlen seien auf die Wahlen zum Vorstand einer Rechtsanwaltskammer übertragbar. "Ebenso wie staatliche Stellen unterliegt danach auch die Beklagte als Selbstverwaltungskörperschaft und Teil der mittelbaren Staatsverwaltung im Wahlkampf einem Neutralitätsgebot." Daher sei es ihr und ihren Organen untersagt, "in amtlicher Eigenschaft mehr als nur unerheblich Einfluss auf die Willensbildung des Wählers zu nehmen und die Chancengleichheit der Bewerber zu verletzen". Selbst wenn Schons auf der Kammerversammlung seinen Tätigkeitsbericht nicht in seiner Eigenschaft als Präsident, sondern als Privatperson gehalten haben sollte, wäre dies eine "amtliche Wahlbeeinflussung". Denn hierbei habe er mit einem Vielfachen des dreiminütigen Zeitbudgets der anderen Wahlbewerber und damit in einer Weise für seine Wiederwahl werben können, die den anderen Kandidaten verwehrt gewesen sei.

"Autistische Reaktionen"

Zudem habe seine Rede "offene Werbung für seine Wiederwahl sowie negative, herabsetzende Äußerungen über seine Gegner" enthalten. Schons unterstellte ihnen laut BGH, "dass er bei ihnen, egal was er sage, auf taube Ohren stoßen werde". Ergänzend habe er anfügt, seine Erfahrung in den letzten Monaten habe gezeigt, dass selbst Fakten mit "autistischen Reaktionen" begegnet werde. Damit stelle er seine Gegner als sachlichen Argumenten nicht zugänglich und zu einer konstruktiven Zusammenarbeit nicht fähig dar, so der BGH weiter. Doch selbst der eigentliche Jahresbericht habe nicht die gebotene Neutralität gewahrt. So werde dieser hinsichtlich der Bearbeitung der Anträge von Syndikusrechtsanwälten damit eingeleitet, dass "das vergangene Jahr eigentlich ein ganz tolles Jahr war. Es war ein Jahr, zu dem man sagen kann, die Performance stimmte." Zum Stand der Bearbeitung der Anträge sei anschließend jedoch lediglich mitgeteilt worden, dass "fast die gesamten Anträge von Syndikusrechtsanwälten mit einer großen Geschwindigkeit abgearbeitet" worden seien - "einige Anträge" natürlich noch offen und "einige Fragen" noch zu klären seien, man das aber überwiegend "wirklich hervorragend hinter" sich gebracht habe. Bevor abschließend die Bemerkung folgte, dass das "super" und es für ihn immer eine Freude gewesen sei, wenn Vertreter des Bundesverbands der Unternehmensjuristen (BUJ) meinten: "Also was die RAK Düsseldorf da macht, ist toll!"

"Eine Art Impeachment"

Aber auch der Teil über den Unfrieden im Gesamtvorstand habe die Grenze zur unzulässigen Wahlwerbung überschritten. Wiederum fehlte es dem BGH an der Mitteilung konkreter Tatsachen, die den Kammermitgliedern eine eigenständige Würdigung der Auseinandersetzungen im Vorstand ermöglicht hätte. So seien etwa Inhalt und Hintergrund der "massiven und verunglimpfenden" Vorwürfe, die seitens eines Vorstandsmitglieds erhoben wurden und die für die Kammermitglieder auch jenseits der Schwelle strafrechtlichen oder dienstaufsichtlich zu beanstandenden Fehlverhaltens von Interesse sein dürften, nicht näher benannt worden. Die Aussage von Schons, er habe die Vorwürfe Punkt für Punkt widerlegt, erschöpfe sich in dieser Behauptung und bleibe damit ebenfalls ohne inhaltliche Substanz. Gleiches gelte für die Bemerkung, es habe den Versuch gegeben, "eine Art Impeachment in die BRAO einzuführen". Einer objektiv überprüfbaren Widerlegung der Vorwürfe habe ebensowenig seine Aussage gedient, andere Vorstandsmitglieder hätten auf eine Kandidatur für eine Wiederwahl verzichtet, weil die Atmosphäre im Vorstand ihre Gesundheit beschädige. Dass Schons von einem Kontrahenten eine Entschuldigung oder Richtigstellung verlangt habe, sei ein rein persönlicher Vorwurf gewesen, der in einem Jahresbericht nichts zu suchen habe. Dass örtliche Anwaltvereine konkrete Kandidaten unterstützt und Schons' Kontrahenten die Verfolgung der Interessen von Großkanzleien verfolgt hätten, war laut dem Gerichtsbeschluss hingegen zulässig - "mögen die Betroffenen diese Einschätzung auch für falsch oder diffamierend halten".

Nicht mehr führungslos

Nahezu führungslos ist die Kammer nach dem BGH-Entscheid allerdings nur einige Wochen lang gewesen. Unmittelbar vor Weihnachten wählte der Vorstand Leonora Holling zur neuen Präsidentin. Zum Vizepräsidenten kürte er Claus-Henrik Horn. Neu in das Gremium wurden zudem Isolde Bölting und Guido Wacker gewählt.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 20. Januar 2021.