Vorsatzanfechtung – Verzögerte Begleichung von Forderungen nicht ausreichend

Will ein Insolvenzverwalter Zahlungen des Schuldners vor Insolvenzeröffnung nach § 133 InsO anfechten, muss er sowohl den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz als auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners nachweisen. Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen einer Rechtsprechungsänderung weiter konkretisiert, dass ein schleppendes Zahlungsverhalten des Schuldners allein nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung schließen lässt, wenn sich das durch die gesamte Geschäftsbeziehung zieht - unabhängig von der Liquidität des Schuldners.

Anfechtung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Über das Vermögen einer GmbH wurde 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Verwalterin forderte nun von einer Spedition, die in einer langjährigen ständigen Geschäftsbeziehung zur GmbH stand, rund 53.000 Euro zurück. Diese Summe habe sie seit 2013 von ihrer Auftraggeberin erhalten, obwohl die GmbH bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Damals hatten eine Krankenversicherung und das Finanzamt schon einmal einen Insolvenzantrag gestellt, nachdem der Schuldner erklärt hatte, dass er nicht zahlen könne. Als dann aber von Dritten die Schulden in Höhe von rund 73.000 Euro beglichen worden waren, hatte sich das Insolvenzverfahren erledigt. Der Spediteur wusste davon nichts: Die GmbH hatte zwar schon immer schleppend gezahlt, es mussten aber nie gerichtliche Schritte eingeleitet werden, um die Gegenleistung für durchgeführte Transporte zu erhalten. Zum Zeitpunkt der Eröffnung waren noch rund 3.700 Euro offen, die er zur Tabelle anmeldete. Das Landgericht und das Oberlandesgericht gaben der Anfechtungsklage statt. Die Spedition wandte sich an den Bundesgerichtshof - mit Erfolg.

Drohte die Zahlungsunfähigkeit einzutreten?

Die Vermutung, dass der GmbH seit dem ersten Insolvenzantrag 2013 noch weiter die Zahlungsunfähigkeit im Sinn von §§ 1718 InsO drohte, kann laut den Karlsruher Richtern nur dann aufrechterhalten werden, wenn sie ihre laufenden Zahlungen nicht wiederaufgenommen hat. Bloß verzögerte Forderungsbegleichungen reichten dafür nicht aus, vielmehr müssten Umstände hinzutreten, die darauf hindeuten, dass die verspäteten Zahlungen auf mangelnder Liquidität beruhten. Eine Erklärung des Schuldners, dass er nicht zahlen könne, wäre nach Ansicht des BGH ein schlagkräftiges Indiz. Oder wenn die GmbH selbst Geschäftspartner nicht bezahlte, die sie für fortlaufende Beziehungen noch benötigte. Gemessen an diesen Maßstäben war die GmbH den Bundesrichtern zufolge nach Begleichung der Schulden bei Finanzamt und Krankenversicherung solvent. Jedenfalls hätte die Insolvenzverwalterin ansonsten eine sekundäre Darlegungslast zu gegebenenfalls weiter vorliegenden erheblichen Zahlungsausfällen getroffen.

Spedition kann 53.000 Euro behalten

Nach Ansicht des BGH scheidet der Rückgewähranspruch nach § 143 Abs. 1 in Verbindung mit § 133 Abs. 1 InsO also aus, weil ein Vorsatz der GmbH, mit den Zahlungen an die Spedition andere Gläubiger zu benachteiligen, fehlte. Es liege kein Nachweis vor, dass sie bereits zwei Jahre vor der Insolvenzeröffnung von ihren Liquiditätsschwierigkeiten wusste. Und auch die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, der Spedition, hat die Insolvenzverwalterin nicht nachweisen können. Der Bundesgerichtshof konnte die Sache wegen Spruchreife selbst entscheiden und die Klage abweisen.

BGH, Urteil vom 10.02.2022 - IX ZR 148/19

Redaktion beck-aktuell, 7. März 2022.