Vorrang der Jahresabrechnung einer WEG

Werden einzelne Positionen einer Jahresabrechnung vor Gericht für ungültig erklärt, können Wohnungseigentümer Nachzahlungen nicht isoliert zurückfordern. Vielmehr besteht ein Anspruch auf Erstellung einer neuen Abrechnung. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10.07.2020 entschieden.

Umstrittene Dachsanierung

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft kam es zum Streit um die Verteilung der Kosten einer Dachsanierung. Die Jahresabrechnung für 2011 wies für einen Eigentümer eine Nachzahlung hierfür von knapp 1.500 Euro aus. Er griff den Abschluss vor dem Amtsgericht München an. Das Gericht bekam den Fall parallel auch von anderer Seite auf den Tisch - die Gemeinschaft forderte den Saldo des Hausgelds inklusive Zinsen und Anwaltskosten ein. Sie bekamen ihr Geld. Im Anschluss wurde aber vom AG München festgestellt, dass die Bedenken des Miteigentümers gegen die Position "Dachsanierung" berechtigt gewesen waren. Nunmehr wollte er seine Zahlungen nach Bereicherungsrecht zurückbekommen und rief erneut das Amtsgericht München an. Das AG verweigerte dies. Anders das Landgericht München I: Der Rechtsgrund für die Nachzahlung sei nachträglich entfallen. Die notwendige Rückabwicklung könne sinnvollerweise nur außerhalb der - in der Regel - lange zurückliegenden Jahresabrechnung erfolgen. Auch gezahlte Verzugszinsen seien zu erstatten.  

Vorrang des Innenausgleichs

Der Bundesgerichtshof sah dies genau umgekehrt und gab der Revision im Wesentlichen statt. Die Karlsruher Richter folgten im Ansatzpunkt dem Landgericht. Eine Nachzahlung könne "zwangsläufig" nicht ohne gültigen Abschluss bestehen bleiben. Der gewählte Weg behebe aber nicht das Problem des fehlerhaften Kostenschlüssels. Vielmehr unterliege das Landgericht München I einem "Missverständnis" bezüglich des Kerns der Sache. Es gehe nicht um eine "Rückforderung", sondern um eine korrekte Abrechnung. Aus Sicht des Senats hinge es ansonsten vom Zufall ab, ob die Überzahlung ausreicht, um fehlerhafte Positionen auszugleichen. Ansonsten würde immer nur ein Teil erstattet, was die Schieflage nicht beseitige. Zudem müsste dann konsequenterweise im Verhältnis von Gemeinschaft zu Eigentümern jeder nach Saldo seinen Rückforderungsanspruch verfolgen, so die Bundesrichter. Dies würde zu einer "Fülle von Einzelkondiktionen" führen. Eine korrigierte Abrechnung kläre dahingegen die Verhältnisse innerhalb der Gemeinschaft. Insoweit habe auch jeder Eigentümer einen Anspruch auf Erstellung eines neuen Jahresabschlusses, stellt der BGH klar.

Abrechnungsspitzen sind zu zahlen

Die Zinsforderung war aus Karlsruher Sicht berechtigt und somit nicht zu erstatten. Richtig sei zwar, dass der aufgehobene Beschluss von Anfang an als unwirksam gelte. Dies bedeute aber nicht, dass die Miteigentümer Zahlungen zurückhalten dürften, wenn ihnen eine Berechnung suspekt erscheine. Bis zur Aufhebung seien sie an die Abrechnung gebunden - ansonsten könnten der Verwaltung schnell die Mittel ausgehen. Dementsprechend würden auch Zinsen fällig.

BGH, Urteil vom 10.07.2020 - V ZR 178/19

Redaktion beck-aktuell, 14. August 2020.