Vorgerichtliche Anwaltskosten bei Flugverspätung

Ist eine Fluggesellschaft verpflichtet, einen Fluggast wegen einer Flugverspätung zu entschädigen, muss sie bei Verletzung der Informationspflichten zusätzlich die Kosten eines Rechtsanwalts im vorgerichtlichen Verfahren tragen. Der Bundesgerichtshof betonte, dass eine Anrechnung der Anwaltskosten auf die Entschädigung nicht erfolgt, weil das einem Freifahrtschein für die Luftverkehrsunternehmen gleichkäme, ihren Pflichten nicht ordentlich nachzukommen.

Flüge nach Ghana und zurück erheblich verspätet

Mehrere Reisende buchten Flüge von Düsseldorf über Amsterdam nach Accra in Ghana und zurück. Das Luftverkehrsunternehmen annullierte den Hinflug, so dass die Passagiere erst einen Tag später als geplant ihr Ziel erreichten. Auf dem Rückflug wurde der Anschlussflug von Amsterdam nach Düsseldorf ebenfalls annulliert und die Fluggäste kamen erst 10 Stunden später heim. Dafür verlangten sie von der Airline eine Ausgleichsleistung in Höhe von 2.400 Euro sowie die Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von knapp 350 Euro. Für den Hinflug schlossen die Parteien einen Vergleich, für den Rückflug sprach ihnen das Amtsgericht Düsseldorf jeweils nur 250 Euro Schadensersatz zu. Das Landgericht Düsseldorf erhöhte den Ausgleichsanspruch auf 600 Euro pro Person, wies aber die Freistellungsklage ab. Erst vor dem Bundesgerichtshof hatten die Fluggäste Erfolg.

Rechtsanwaltskosten müssen gezahlt werden

Der X. Zivilsenat hob das Berufungsurteil hinsichtlich des Freistellungsanspruchs auf: Die Fluggesellschaft muss nach § 280 Abs. 1 BGB und Art. 5 Abs. 1 und 7 FluggastrechteVO die vorgerichtlichen Anwaltskosten bezahlen. Der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der FluggastrechteVO umfasse auch regelmäßig die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts, wenn das Unternehmen - wie hier - seinen Informationspflichten nach Art. 14 der VO nicht nachgekommen sei. Dabei darf der Fluggast sich nicht nur über seine rechtlichen Möglichkeiten beraten lassen, um das Informationsdefizit zu beseitigen; vielmehr kann der Anwalt auch direkt tätig werden und eine Geschäftsgebühr geltend machen.

Keine Anrechnung auf Kompensationsanspruch

Die Anwaltskosten werden dem BGH zufolge auch nicht auf den Ausgleichsanspruch angerechnet: Zwar betrachte der EuGH die Kompensation als pauschalierte Entschädigung für die Unannehmlichkeiten, die dem Fluggast entstanden seien. Davon seien aber individuelle Schäden, die der Passagier über die allgemeinen Unannehmlichkeiten hinaus erlitten hat, nicht umfasst. Nach deutschem Recht gilt laut den Karlsruher Richtern, dass der Schaden im vollen Umfang kompensiert wird, der Geschädigte aber nicht durch den Schaden bereichert werden soll. Daher komme eine Anrechnung der Anwaltskosten auf den Ersatzanspruch nicht infrage. Sie würde ein völlig falsches Signal setzen, weil ein Verstoß gegen die Informationspflichten für das Luftverkehrsunternehmen folgenlos bliebe, obwohl dem Gast dadurch ein zusätzlicher Schaden entstanden sei.

BGH, Urteil vom 31.08.2021 - X ZR 25/20

Redaktion beck-aktuell, 1. Oktober 2021.