Vor der Klage ein Schlichtungsverfahren?

Ein obligatorisches Güteverfahren ist nicht bei allen Klagen notwendig, die eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betreffen. Der Bundesgerichtshof hält einen Schlichtungsversuch dann für entbehrlich, wenn es um die Verletzung der Intimsphäre geht. Dafür spreche der Wortlaut der Öffnungsklausel. Außerdem sei auch im strafrechtlichen Pendant des Schlichtungsverfahrens ein Sühneverfahren vor dem Privatklageverfahren nur dann notwendig, wenn es um die Verletzung der persönlichen Ehre ginge.

Beste-Freundinnen-Chat weitergereicht

Die Klägerin war eine gute Freundin der inzwischen geschiedenen Ehefrau des Beklagten. Mit ihrer Freundin tauschte sie über WhatsApp auch höchstpersönliche Nachrichten aus. Der Mann bekam Zugriff auf diesen Chatverlauf und gab ihn, so der klägerische Vorwurf, mindestens zwei weiteren Personen zu lesen. Die Frau verlangte von ihm eine Entschädigung in Höhe von 3.200 Euro für die Verletzung ihrer Intimsphäre. Das AG Delbrück und auch das LG Paderborn hielten die Klage für unzulässig, weil die Geschädigte zunächst ein Schlichtungsverfahren hätte durchlaufen müssen. Der BGH sah das anders und gab ihrer Revision statt. Er verwies die Sache an die erste Instanz zurück.

Kein Vorschaltverfahren notwendig

Der VI. Zivilsenat hält die Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO iVm § 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW, die zwingend ein vorheriges Schlichtungsverfahren vorsehen, für nicht erfüllt. Es handele sich hier nicht um eine Streitigkeit über eine Verletzung der persönlichen Ehre, sondern der Intimsphäre. Die Öffnungsklausel erfasst dem BGH zufolge nicht pauschal alle Ansprüche rund um die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, vielmehr beschränke sie deren Anwendung schon dem Wortlaut nach auf die "Verletzungen der persönlichen Ehre". Auch die Entstehungsgeschichte der Normen spreche für diese Auslegung, weil der Gesetzgeber auch im Strafrecht ein Sühneverfahren nach § 380 StPO als Vorschaltverfahren für Privatklagen wegen Verletzungen der persönlichen Ehre durch Beleidigungen und Ähnliches eingerichtet habe. Die Klägerin macht laut dem BGH aber keinerlei strafrechtliches Verhalten zum Gegenstand des Verfahrens.

Zurückverweisung an die erste Instanz

Der Bundesgerichtshof verwies die Sache zum AG Delbrück zurück, weil nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO bisher nur über die Zulässigkeit entschieden worden ist. Der Beklagte habe die Zurückverweisung auch beantragt. Es sei gerecht, den Parteien die erste Instanz wieder zu gewähren.

BGH, Urteil vom 25.10.2022 - VI ZR 258/21

Redaktion beck-aktuell, 24. November 2022.