Volle Betreuervergütung bei Aufenthalt in Außenwohngruppe

Lebt ein mittelloser behinderter Mensch im Rahmen von Eingliederungshilfe selbstständig in einem eigenen Zimmer einer Außenwohngruppe, ist dies nicht mit einer stationären Unterbringung vergleichbar. Seinem Betreuer steht laut Bundesgerichtshof die volle Vergütung zu, wenn sich die Leistungen auf die entgeltliche Überlassung eines Zimmers beschränken. Eine Bemessung der Kosten nach den Grundsätzen einer gesicherten Rund-um-die-Uhr-Versorgung sei dann nicht berechtigt.

Bezirksrevisor moniert Höhe der Vergütung

Ein Kostenbeamter war mit der Höhe der Rechnung eines Betreuungsvereins nicht einverstanden: Die mittellose Betroffene erhielt Eingliederungshilfe (§§ 102 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB IX) und bewohnte aufgrund eines mit einer gemeinnützigen Einrichtung abgeschlossenen Wohn- und Betreuungsvertrags ein Zimmer in einer Außenwohngruppe. Unterstützung wurde angeboten, musste aber nicht in Anspruch genommen werden. Im Jahr 2018 wurde ein Betreuer für sie bestellt. Dessen Arbeitgeber (ein Betreuungsverein) setzte für Juli 2019 bis Juni 2020 Kosten in Höhe von 2.035 Euro an. Dabei ging er davon aus, dass die Frau während dieser Zeit weder in einem Heim (§ 5 Abs. 3 VBVG a.F.) noch in einer – gleichgestellten – ambulant betreuten Wohnform (§ 5 Abs. 3 Satz 3 VBVG) gelebt hatte. Das AG Leipzig gab dem Antrag des Vereins statt. Der Bezirksrevisor verlangte daraufhin, die Vergütung auf 1.122 Euro herabzusetzen, hatte aber mit seiner Beschwerde vor dem LG Leipzig kein Glück: Durch die Einrichtung werde tatsächliche Betreuung oder Pflege nicht in dem Maß geleistet, dass dem Betreuer die Organisation des Lebens der Betreuten im Wesentlichen abgenommen werde.

In einem Parallelfall (XII ZB 581/20) bewohnte eine mittellose Mutter gemeinsam mit ihren drei Kindern eine abgeschlossene Wohnung in einer von einer gemeinnützigen Einrichtung betriebenen Mutter-Vater-Kind-Wohngruppe. Dabei handelte es sich um ein Mietshaus, in dem Familien Wohnungen zur Verfügung gestellt werden, die Bewohner sich jedoch vollständig selbst versorgten.

BGH: Keine ambulant betreute Wohnform

Der BGH wies die Rechtsbeschwerde des Bezirksrevisors in beiden Fällen zurück. Ihm zufolge waren die Voraussetzungen des vergütungsrechtlichen Heimbegriffs im Sinne von § 5 Abs. 3 VBVG a.F. nicht erfüllt, da sich die Leistungen sowohl der Behinderten als auch der alleinerziehenden Mutter auf die entgeltliche Überlassung eines eigenen Zimmers beschränkten. Dem XII. Zivilsenat zufolge ist die – in der Anlage völlig selbstständig lebende – behinderte Frau auch nicht verpflichtet, nur die von dem Träger der Einrichtung angebotenen Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Ihr stehe es vielmehr frei, diese im Rahmen der Eingliederungshilfe zu nutzen oder sich anderer Hilfen zu bedienen. Schließlich halte der Träger auch keine Rund-um-die-Uhr-Versorgung der Bewohner der Wohngruppe vor. Im Parallelfall – so der BGH – sei eine professionelle Pflege bzw. Betreuung der Betroffenen selbst durch die im Haus anwesenden Sozialarbeiter nicht erfolgt. Die Mutter habe auch nicht auf einen professionellen Organisationsapparat zurückgreifen können, wie es ihr in einer stationären oder gleichgestellten Einrichtung möglich gewesen wäre.

BGH, Beschluss vom 05.05.2021 - XII ZB 580/20

Redaktion beck-aktuell, 17. Juni 2021.